Stehsatz

Studiengang Media Design. Gestaltungsgrundlagen: Klasse Prof. Sybille Schmitz, München
Kalligrafieübung (1. Semester): Zoe Leininger

Zoe Leininger widmet sich dem Alphabet frei von Vorgaben und Konventionen über eine Serie expressiver Formstudien. Sie nutzte hierfür große Pinsel, Acrylfarben und Leinwand.

Im Wechselspiel zwischen Material, Farben, schneller und langsamer Pinselführung, sanftem und druckvollem Auftrag entstanden unterschiedliche Formationen aus Buchstaben und freien Linien, die ein harmonisches Grundmuster prägen. Dem betrachtenden Auge steht es frei, hier im Detail zu entziffern, zu dechiffrieren oder auch nur darüberschweifend den dekorativen Aspekt zu goutieren. Schlußendlich entstand eine Reihe imposanter Bilder, die bewusst die Nähe zu frühgeschichtlichen bzw. antiken Steintafeln suchen.

Fotos: Sybille Schmitz
Unikatbuch (4. Semester): Luca Tommaso Stimming

Luca Tommaso Stimming widmet sich in seinem Unikatbuch der Geschichte »Das verräterische Herz« von Edgar Allan Poe.

Darin bringt der psychisch angeschlagene, äußerst erregbare bzw. mehr und mehr erregte Ich-Erzähler einen alten Mann, der mit ihm in demselben Haus wohnt, um. Der alte Mann hat eine körperliche Besonderheit, ein eigentümliches Auge — dem eines Geiers ähnlich —, dessen (An-) Blick den Erzähler zur Weißglut treibt. Innerhalb einer Woche steigert sich die Aversion in einem Maße, daß der Protagonist zur Wahnsinnstat getrieben wird, um den Leichnam anschließend überlegt & sehr rational unter dem Dielenboden zu verstecken sowie alle Spuren zu verwischen. Die Polizisten, durch Schreie alarmiert, finden nichts, woraufhin der Erzähler im selbstgefälligen Gefühl der Sicherheit die Polizisten in ein Gespräch verwickelt, in dessen Verlauf er den Herzschlag des Alten lauter und lauter aus den Dielen heraus zu hören glaubt. Vom anschwellenden Schlagen des Herzens zur Verzweiflung getrieben gesteht er schließlich den Mord.

Luca setzte das Thema in der Form eines typografisch inszenierten, dreidimensionalen Objektes um. Während des Lesevorgangs folgt der Betrachter der Faltanleitung und knickt das im Format DIN A3 bedruckte Blatt so lange, bis sich am Ende ein abstrahiertes, dreidimensionales – eben das verräterische – Herz ergibt.

Fotos: Nico Janson
Unikatbuch (4. Semester): Katrin Eder

Wie schon im vorangegangenen Beitrag findet sich auch hier in der Arbeit von Katrin Eder die Geschichte »Das Fass Amontillado« von Edgar Allan Poe als Unikatbuch umgesetzt. Katrin Eder schuf hierfür ein Objekt, das den langen, unheilvollen Weg in den dunklen Keller des Palazzo und schließlich in das Verderben verdeutlicht.

Das dreidimensionale Objekt vertieft sich in Stufenform. Dabei ist die Geschichte — akkurat in der Proxima Nova gesetzt — in sorgfältigem Satzspiegel Seite für Seite in Stufenform angeordnet. Die Seiten werden von Stufe zu Stufe immer dunkler und das Objekt von Stiege zu Stiege immer tiefer. Auf den Erhöhungen respektive Zwischenelementen befinden sich dabei, stichpunktartig arrangiert, die Gedanken des Protagonisten Montresor wieder, die im Laufe der Geschichte immer düsterer werden und ihren Höhepunkt im Mord des (insgeheim verhassten) »Freundes« finden.

Der Leser, die Leserin muss gewissermaßen im Akt des Lesens den unkomfortablen Weg der beiden Männer verfolgen und den unaufhaltsamen Niedergang nachvollziehen — eine eindrückliche und in Buchform kaum je zuvor erlebte Immersion!

Fotos: Nico Janson
Unikatbuch (4. Semester): Sonja Melior

Sonja Melior hat sich bei ihrem Unikatbuch für die Geschichte »Ein Fass Amontillado« von Edgar Allan Poe entschieden, um eben diese kurze Geschichte typografisch-experimentell umzusetzen. Darin lockt der Protagonist Montrésor den verhassten Fortunato — der vom Hass Montrésors nichts ahnt —, in die weitläufigen Gewölbe und Keller unter seinem Palazzo, sperrt und mauert ihn dort als Rache für erlittene »tausendfältige Unbill« lebendig ein. Lockmittel in die Tiefe ist das namensgebende Fass Amontillado (ein erlesener Sherry), das dort unten angeblich lagert und begutachtet werden soll. Im Laufe der Geschichte steigen beide immer tiefer in das zunehmend dunkler werdenden Gewölbe hinab. Parallel dazu wird auch die Unterhaltung beider peu-à-peu unheilschwanger, die Stimmung wird immer düsterer und die Absichten des Ich-Erzählers Montrésors immer diabolischer, bis es zum finalen Einmauern, somit zum Mord kommt.

Diesem Bogen der Verdichtung zeichnet Sonja Melior sowohl mit ihrer buchgestalterischen als auch mit der typografischen Struktur nach. Die Seiten des Buches nehmen zunehmend an Gewicht zu, bis sie schließlich in einem massiven Holzblock enden. Die Textstruktur verdichtet sich, verliert die Lesbarkeit und bildet eine totbringende, undurchdringliche und bedrückende Mauer.

Das ganze Buch ist in einer schwarzen Kassette untergebracht, die diesen Effekt nochmals verstärkt. Höchst gelungen.

Fotos: Sonja Melior, Philipp Von Soden
Typografie (1. Semester): Alina Seidemann

Der Aufgabe, die Begriffe »laut« und »leise« typografisch-künstlerisch umzusetzen, widmete sich Alina Seidemann auf zweifache Weise. Zum einen setzte sie den übergreifenden Gedanken GOOD TINGS TAKE TIME in laut wirkenden Großbuchstaben, in der Art aufklappbarer, ins Papier geschnittener Versalien einer serifenlosen, fetten Schrift. Dahinter, nach dem Aufklappen sichtbar, sind englische Begriffe aus der Typografie in kleiner Schriftgröße und ausnehmend in Kleinbuchstaben zu sehen.

Begriffe wie »spacing«, »kerning« oder »tracking« und »typesize« verweisen hier auf einer zweiten, thematischen Ebene auf die sorgsame, langwierige, mitunter subtil und somit »leise« wirkende typografische Arbeit – diese Arbeit ist filigran, unverzichtbar für Qualität (GOOD THINGS) und braucht neben fundierten Kenntnissen eben auch ihre Zeit (TAKE TIME).

Fotos: Alina Seidemann
Drei Wochen als Gastprofessorin an der Hunan Normal University in China
08.–26. Mai 2023

Der Kurs »Typography 3« ist Teil des internationalen Studienprogramms zwischen der Hunan Normal University in Changsha (China) und der mdh (Mediadesign Hochschule). Ziel dieses Kurses ist es, den chinesischen Studierenden Einblick in typografische Grundlagen und westliches Layout zu geben – Studierenden, die völlig anderen kulturellen und künstlerisch-grafischen Traditionen entstammen und, natürlich, vor allem einem anderen fremden Schriftraum! Coronabedingt hatte der Kurs zwei Jahre nur online stattgefunden. In diesem Jahr sollte der Kurs vor Ort sein. Anfang Mai bin ich dann mit durchaus gemischten Gefühlen – hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Zweifeln – in München in den Flieger gestiegen. Zwei Umstiege und 22 Stunden später kam ich schließlich in Changsha an.

Changsha, Hauptstadt der Provinz Hunan, ist verglichen mit anderen asiatischen Großstädten mit circa 10 Millionen Einwohnern eher durchschnittlich groß. Für mich war das zunächst etwas beeindruckend.

Die Hunan Normal University (Department Fine Arts)

Das Departement »Fine Arts«, an dem ich unterrichten sollte, war sehr gut ausgestattet und vermag es — wie ich sehr schnell feststellte — auch in verschiedensten Disziplinen durch designerische Qualität zu überzeugen. Von Beginn an gab es im Gebäude Ausstellungen zu sehen, die während meines über dreiwöchigen Aufenthaltes mehrmals wechselten und mit sehr viel Sorgfalt und Bedacht kuratiert waren. Der Leiter der Hochschule Li Shaobo ist ein sehr bekannter chinesischer Schrift-Designer, der ein überzeugendes Oeuvre vorweisen kann. Es war eine bereichernde Erfahrung, als ich einmal an einer seiner Präsentationen als Zuhörer teilnehmen durfte.

Mein eigener Kurs setzte sich aus 105 Studierenden zusammen, die nach der Vorlesung von einem Professorinnen- und Professorenteam begleitet wurden. Das erste Seminar von dreien war meines. Die Vorlesung fand auf Englisch statt und wurde von einem Übersetzer ins Chinesische übertragen. Ganz nach deutscher Manier sehr gut auf die Vorlesung vorbereitet, hatte ich natürlich Karteikarten mit ausgearbeiteten Notizen erstellt. Dies führte zunächst zu einer gewissen Steifheit. Da die Zusammenarbeit mit meinem Übersetzer Ray aber so gut funktionierte konnten wir zunehmend frei agieren. Spaß gemacht hat mir insbesondere der direkte Kontakt mit den Studierenden.

Mit der Zeit wurde mir mehr und mehr bewusst, was es bedeutet, sich in ein komplett anderes Schriftsystem einzuarbeiten. Zeichen sind eng an Sprache gebunden. Wird diese nicht verstanden, so sind Schriftzeichen zunächst nur grafische Formen. Dies mag eine kreative grafische Spielwiese eröffnen, dient aber nicht der Vermittlung von Inhalten. An der Stelle muss ich ein großes Lob an die Studierenden aussprechen, die sich in dieses andere System eingearbeitet haben und ungeachtet der Sprachbarriere sehr interessante typografische Layouts entwickeln konnten.

Lost in Translation

Diese Schwierigkeiten waren beiderseits, denn nicht selten war ich recht verloren bzw. »lost in translation«. Ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache war das Eintrittsportal des buddhistischen Tempels eine fast unüberwindliche Hürde, ohne jegliche Lesefähigkeit hinsichtlich der chinesischen Schriftzeichen war der Besuch des Supermarktes ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, dem unwägbaren Risiko der Nutzung einer Metro wollte ich mich erst gar nicht aussetzen. Da Changsha abseits der großen Touristenströme aus dem Westen liegt, findet man praktisch keinerlei Beschilderung auf englisch oder in lateinischer Schrift. Außerhalb des Universitätsumfeldes bin ich tatsächlich keinem einzigen Menschen begegnet, der westlich aussah. Es ist auch eine eigentümliche und sehr interessante Erfahrung, »der bzw. die Andere« zu sein.

Was bleibt

In der Nachbetrachtung fällt mein Urteil über den Aufenthalt in China sehr positiv aus. Hervorragendes Essen, sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, sehr nette Kolleginnen und Kollegen, in einem wirklich sehenswerten Land. Allein schon die nächtliche Skyline von Changsha mit ihrer orchestrierten, farblich wechselnden Bespielung macht enormen Eindruck.

Besonders berührt hat mich der Text einer Studentin aus meinem Kurs, die in der Einleitung der abschließenden Kursarbeit schrieb: »Although we come from different countries and speak different languages, the art of typesetting brings us closer. […] Although the workload during the process was indeed something I had never encountered before, over the course of three weeks, I finally overcame numerous difficulties and broke through myself.«

Fotos: Studierende und ProfessorInnen der HNU, Prof. Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Olivia Böhm

Aufgabe der freien Schriftarbeit im ersten Semester war es gewesen, eine eigenständige Schrift künstlerisch oder kalligrafisch zu entwickeln. Ausgangspunkt dafür stellten die Großbuchstaben römischen Ursprungs dar.

Olivia Böhm entschied sich für die Darstellung des Wortes »Akzidenzien«. Der Begriff bedeutet soviel wie Auszeichnung – ein Begriff, der im Buchdruck früher etwas Besonderes, etwas von der alltäglichen Norm abweichendes bezeichnet hat. Und so weicht auch ihr Wort von der Norm ab: die einzelnen Buchstaben sind kunstvoll aus Papier gefaltet und weisen mehrere unterschiedliche Papierfarben und -lagen auf. Auf diese Art und Weise lässt die Studentin einen dreidimensionalen, frühlingshaft anmutenden Schriftzug entstehen. Die einzelnen Zeichen unterscheiden sich jeweils durch Falttechnik und Farben. Das Wort selbst ist Blatt für Blatt zu einem Leporello zusammengefasst. Passend zu den ersten Frühlingstagen strahlt diese Arbeit aus dem ersten Semester eine beseelte, verspielte Heiterkeit aus.

Fotos: Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Josephine Tinapp

In ihrer freien Schriftarbeit im ersten Semester widmet sich Josy Tinapp gänzlich und ausschließlich dem Schriftzug »ahora« – das ist das spanische Wort für »Jetzt«.

Mittels sorgfältig auf ein weißes Holzbrett gesetzter Nägel entstand der Schriftzug selbst bzw. die Umrisse der Buchstaben in Schreibschrift. Daraufhin spannte sie in filigraner Arbeit farbigen Faden von Nagel zu Nagel, so daß ein im Gesamteindruck harmonischer Schriftzug in Regenbogenfarben, bei genauerer Betrachtung ein feines Gitterwerk von ganz eigener Ästhetik entstand – verwirrend verwoben und gleichzeitig statisch und stabil wirkend wie eine Stahlkonstruktion aus der Ferne.

Ein Sinnbild für das Lebensgefühl der Jugend im Hier und Jetzt, und dabei auch das Ergebnis einer geduldigen, sich von nichts ablenken lassender Hingabe an ein Werk. Gelungen.

Fotos Josephine Tinapp
Gestaltungskonzept (MD 1021): Katrin Eder, Lilli Hartig, Luca Tommaso Stimming
»0816« wir sind anders

Unter diesem Motto präsentieren die Bacheloranden des Fachbereiches Media Design der mdh in München ihre Abschlussarbeiten. Das Konzept für die diesjährige Werkschau wurde von den Studierenden Lilli Hartig, Katrin Eder und Luca Tommaso Stimming entwickelt und wird vom gesamten Kurs der Media Designer 1021 realisiert.

Es beinhaltet das grundlegende Erscheinungsbild, diverse Werbemaßnahmen sowie einen Internetauftritt.

Dabei beschreibt Motto »0816« – das auf den Begriff ­»nullachtfünfzehn« anspielt – die vielseitigen, oft außergewöhnlichen und manches Mal auch extravaganten Ideen eines Designers. In jedem Falle lässt ein Designer, eine Designerin das sprichwörtliche »nullachtfünfzehn« hinter sich, was bekanntlich für eine durch und durch mediokre, epigonale und daher im Grunde belanglose Sache steht.

Die Absolvierenden haben nun in ihren Bachelorarbeiten, der Mittelmäßigkeit entgegenwirkend, der Kreativität keine Grenzen gesetzt und so ihre eigenen, individuellen Ideen realisiert. Diese Arbeiten werden am 09. März 2023 am neuen Standort der mdh München – in der Neumarkter Straße 22 – vorgestellt. Die Abschlussarbeiten bewegen sich in den Themenbereichen Fotografie, UX-Design, Motion Design, 3D Design, Medieninstallation, Editorial Design und Kommunikationsdesign. Das Besondere bei der diesjährigen Werkschau ist, dass nicht nur die Bachelorarbeiten der genannten Bereiche vorgestellt werden, sondern parallel dazu auch die allgemeine Standorteinweihung stattfindet.

Unikatbuch (4. Semester): Anna Lea Trumpetter

»Monster: Die Achterbahn« ist der Titel einer Kurzgeschichte von BJ Novak. Darin entwirft der Künstler Christo eine Achterbahn – seiner eigenen Aussage nach seinem inneren Wesen entsprechend – und lädt zwölf Personen ein, sie zu testen. Die Reaktionen sind unterschiedlich, einige sind begeistert, andere abgestoßen. Relativ einig sind sie sich jedoch bei der Namensgebung der Achterbahn: Monster.

Die Diskussion, die sich um die Benennung der Achterbahn entspinnt, nutzt Anna Lea Trumpeter für die typografische Interpretation der Kurzgeschichte in Form eines Unikatbuches. Sie ordnet und strukturiert Texte, um die Ups und Downs der Achterbahn respektive die Höhen und Tiefen des Lebens zu visualisieren. Textstrukturen und Spaltenanordnungen finden sich spielerisch durcheinander gewirbelt.

Das Unikatbuch selbst ist eine Reihe von negativ — also weiss auf schwarz gesetzten Texten — die Seite für Seite in einem Block angeordnet sind.

Fotos: Felix Stoffel