Stehsatz

The Line, Magazinentwicklung
Editorial Design (4. Semester): Anica Friedrich

Der Lineart-Trend erobert die Welt des Grafikdesigns – Strich für Strich. Der Strich ist eines der Grundelemente des Designs und wohl das Wichtigste. Doch was ist Lineart genau? Das Magazin »The Line« widmet sich schon im Titel diesem zeichnerischen Ur-Element, es richtet sich an Designer, Gestalter, Illustratoren und Maler – oder einfacher formuliert an alle, die Freude am Gestalten und Zeichnen haben. Das Heft präsentiert in jeder Ausgabe verschiedene Lineart-Künstler, deren Einstellung zu Linien in Kunst und Gestaltung, Anwendungsmöglichkeiten und unterschiedliche Stilrichtungen. Dabei wird jedes der Themen mit konkreten Beispielen und Werken der Künstler anschaulich illustriert. Als Besonderheit soll im letzten Kapitel einer jeden Ausgabe ein Tutorial für die Erstellung einer Lineart-Illustration erscheinen.

»The Line« soll dem Leser, der Leserin die äußerst vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung mit Linien schmackhaft machen, es soll inspirieren und Ideen für die Arbeit mit Linien evozieren, denen eines gewiss ist: ein ganz eigener Charme.

Fotos: Tim Kubitz
Buchprojekt Hermann Zapf
Typografie (2. Semester): Julia Floth, Christina Martin, Maria-Giulia Hiller

Das Buch von Julia, Christina und Giulia setzt sich mit dem Ausnahmetypografen Hermann Zapf  (1918–2015) auseinander. In dem unkapriziös wirkenden kleinen Taschenbuchformat verbirgt sich ein gewichtiges Wendebuch: Teil 1 ist der Person Hermann Zapf, Teil 2 einer seiner Schriften, der Optima, gewidmet.

Der gebürtige Nürnberger verfügte über keine klassische Schriftausbildung an einer Schriftschule, er machte zunächst eine Lehre als Positiv-Retuscheur. Bereits in jungen Jahren begeistert von der Schriftkunst Rudolf Kochs und Edward Johnstons erlernte Hermann Zapf die Kalligrafie als Autodidakt.

Nach dem zweiten Weltkrieg konnte Hermann Zapf schnell im internationalen Schriftgeschehen reüssieren – seine Art zu Schreiben zeichnete sich durch enormen Perfektionismus ebenso wie durch eine grundsätzliche Vielseitigkeit aus. Womöglich kam ihm hier zu Gute, dass er durch keine Schule, durch keine Tradition geprägt und beengt wurde, so dass er frische, kreative Ideen entwickeln konnte.

Hermann Zapf verfügt über ein reichhaltiges Œvre – Schriften wie etwa die Saphir, die Zapfino, die Optima und die Palatino sind auch heute noch im Gebrauch, im positiven Sinne populär. Lesbarkeit und Schriftqualität waren Zapf stets oberstes Gebot. Technischen Neuerungen stand er offen gegenüber und entwickelte im Zuge der zunehmenden Digitalisierung von Schriften und deren Satz sein hz-Programm, eines der ersten wenn nicht das erste Programm, das typografische Feinarbeit am Bildschirm ermöglicht. Dies trug wesentlich zur Verbesserung des Schriftsatzes bei.

Nach der historischen Würdigung Zapfs widmet sich die Arbeit der Analyse der Schrift Optima und Optima Next. Bemerkenswert ist dabei, dass der Buchtitel sowie viele Trennerseiten im Buch von Julia Floh kalligrafiert sind, und dabei auch erstaunlich locker wirken. Es ist doch durchaus mutig, wenn nicht wagemutig, in einer Arbeit über den ruhmreichen Kalligrafen selbst zu kalligrafieren – um so anerkennenswerter, dass dies hier wirklich gelungen ist. Der Satz ist klassisch und unaufgeregt angelegt, auch das hätte Zapf wohl gefallen.

Fotos: Sybille Schmitz
Editorial Design (3. Semester): Victoria Eckl, Katharina Hengster

»Warum die novum, oder anders: warum nicht?«  – 1924 erblickte die »novum« in Berlin unter der Leitung von Grafikdesigner K.H. Frenzel im Verlag Phönix Druck das Licht der Welt, zunächst unter dem recht pragmatischen Namen »Gebrauchsgraphik«. 2001 änderte sie ihren Namen letztendlich in »novum – World of Graphic Design« und stellte zugleich einen neu gestalteten Internetauftritt vor. Schon von Beginn an galt die Novum als eine der führenden und einflussreichsten Designzeitschriften des Marktes. Mit internationaler Reichweite präsentiert sie zeitgemäße und herausragende Arbeiten aus den Bereichen des Grafikdesigns, der Illustration, des Fotodesigns, des Corporate und Editorial Designs, Verpackung, Werbung und Typografie – kurz gesagt eine inspirierende und anregende Mischung für alle aus der kreativen Szene.

Die bereits zu Beginn dieses Beitrags erwähnte Fragestellung begleitete uns beständig durch unsere Analyse des Magazins. Die Antwort auf diese ist wahrlich simpel und verbirgt sich bereits in der Frage – »wieso nicht?«. Dank Janina Engel, die uns zu Beginn des dritten Fachsemesters Einblick in die Novum und ihre Historie gewährte sowie etliche Ausgaben zur Verfügung stellte, war die Auswahl des geeigneten Objektes unserer Magazinanalyse schnell getroffen. Die Analyse umfasst im Ganzen fünfzig sorgfältig recherchierte und sorgsam gestaltete Seiten, mit ausgewogener Balance zwischen sachlichen Informationen und einprägsamen, illustrierten Bildern, die die Textpassagen passend untermalen.

Im Detail gehen wir den Fragen zu Inhalt, der Zielgruppe, dem Umfang, der Geschichte und der Analyse anderer, vergleichbarer Magazine nach. Im Fokus der eigentlichen Analyse des Periodikums handeln wir verschiedenste Aspekte wie Rückengestaltung, Bildsprache, Farbgebung, Layout, Produktseiten, Anzeigen und Psychogramme ab. Auch hier korrespondiert Text mit Darstellung, Grafik und Layout. Abgerundet wird die Arbeit mit einer Aneinanderreihung einiger markanter Magazincover der letzen Jahrzehnte.

Fotos: Katharina Hengster, Victoria Eckl
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund
Bleisatz 1: Plakate als Mappenwerk zu François Villon

Die Balladen von François Villon (1431–1463), dem einflussreichen französischen Dichter des Spätmittelalters, haben viele Künstler aufgegriffen und neu inszeniert. Seine »verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny« etwa diente unter anderem »Culture Beat« als Liedvorlage, legendär sind die ausdrucksstarken, ja exaltierten Interpretationen von Klaus Kinski, der Villon gerne und über Jahrzehnte auf seinen Tourneen rezitierte. Villon thematisiert in dieser Ballade Liebe wie auch Wollust recht wortgewaltig, verspielt und dabei doch unmissverständlich. Der Dichter selbst, dessen Lebensweg nur bruchstückhaft bekannt ist, war in seinen jungen Jahren ein ungestümer, rebellischer und alles andere als frommer Charakter. In seinen Texten und Gedichten spiegeln sich diese wilden Jahre als »Scholar«, Landstreicher und Krimineller wider.

Im Kurs Bleisatz 1 haben die Studentinnen Celina Hofmann, Larissa Laurentzi, Katharina Lutz, Michaela Kappes, Verena Schneider und Verena Sedlmeir ihre eigene Interpretation des Textes angefertigt. Die entstanden Arbeiten der Studierenden sind dabei facettenreich ausgefallen:

Verena Schneider arbeitete mit drei unterschiedlichen Farben und Druckformen, um die Abwechslung und Spannung des Textes in ihrem Plakat Plakat wiederzugeben. Grau steht dabei symbolisch für das Nest der Liebe, Rot für die Liebe selbst. Die schwarze Form, in der der Text gesetzt ist bildet dazu einen starken Kontrast.

Katharina vollzog die Bilder, die im Kopf des Lesers entstehen, mit Illustrationen im Linolschnitt nach: eine Frau mit wehendem Haar in schwarz (oben links vom Text platziert) sowie das »rote Tier« in rot (unten rechts vom Text platziert).

Michaela Kappes übersetzte die immense Leidenschaft der Ballade in eine beeindruckende Illustration eng umschlungener Liebender.

Larissa, Celina und Verena Sedlmeir arbeiteten mit Plakatschriften in Kombination mit dem in der Werkstatt verfügbaren Schriftmaterial in den Farben Rot, Rosa und Schwarz.

Eine besondere Erwähnung verdient noch der Titelschriftzug, den Celina Hofmann in romantisch verspielten Lettern gezeichnet hat und der mit der Boston Presse auf die Deckblätter eingedruckt wird.

Geleitet wird das sehr engagierte Projekt von unserem Druckermeister Günter Westermaier und mir, zudem stand zu Beginn die Studierende Eva-Maria Oberauer unterstützend zur Seite. Ich freue mich auf die Fertigstellung der Mappe, die die Kreativität und die vergnügte Atmosphäre des Kurses deutlich machen wird.

Fotos: Verena Sedlmeir, Katharina Lutz, Celina Hofmann, Verena Schneider
Typografie (2. Semester): Verena Manhart
20 Thesen zur Typografie

Verena Manhart bedient sich aus dem Fundus typografischer Gesetze und – anstatt sie in Stein zu meißeln – experimentiert mit ihnen auf recht eindrucksvolle Weise: mal konterkariert sie die Gesetze, mal illustriert, mal dekonstruiert, mal überstrapaziert sie die ehernen Worte der Meister des Fachs.

Beeindruckend ist, wie deutlich und klar der Gehalt der Zitate gerade durch das äußerst freie Experimentieren – frei von übertriebenem Respekt  – vermittelt wird. Entstanden ist ein Büchlein aus 105 Einzelgestaltungen im Format 130 x 205 mm.

Fotos: Sybille Schmitz
Editorial Design (4. Semester): Jochen Schuster

Bei dem Magazin mit dem Titel »artworld« handelt es sich um ein Kunstmagazin, das  die Themen »gender«, »race« und »postcolonialism« verhandelt. Dieses Magazin möchte wehtun und ist selbst dabei außerordentlich zornig.

Dies wirkt sich auf die Typografie aus: die verwendeten Schriften (Schadow fett; Attribut black, eine Monospaced, und für die Marginalien die Akzidenz Grotesk) sind bis zur optischen Schmerzgrenze unterschnitten, was einen sehr geringen Zeilenabstand zur Folge hat. Etwas unkomfortabel zu lesen, aber genau das war beabsichtigt – die Leserinnen* sollen den Widrigkeiten der Menschen nachspüren, über deren Leben und Arbeiten in diesem Magazin geschrieben wird. 
Die Seiten sind durchgehend farbig, sie stellen die Welt als etwas »Buntes« dar  – ähnlich der »Pride Flag«. Dass das Lesen dadurch noch ein wenig erschwert wird, ist also durchaus Absicht (siehe oben).

Fotos: Tim Kubitz, Jochen Schuster
Typografie (2. Semester): Selina Schwander, Ken Jatho

Im Rahmen unseres Typografieprojektes haben wir die 2019 erschienene humanistische Groteskschrift »NIKO«, entworfen von  Ludwig Übele, analysiert. Die Schrift selbst ist in 54 Schnitten verfügbar, robust und vielseitig – sie ist sowohl für Screen-, als auch für Printanwendungen (Zeitungssatz, Magazingestaltung etc.) einsetzbar.

Für uns war es ein besonderes Anliegen gewesen, einen zeitgenössischen Schriftentwerfer zu wählen, den man persönlich treffen und mit dem man über den Prozeß der Schriftgestaltung sprechen kann. Also jemanden, der Erfahrung aus erster Hand hat und Fragen aus unserer spezifischen, studentischen Perspektive beantworten kann. Ludwig Übele erschien uns dabei deshalb besonders interessant, da er klassische Typografie mit zeitgemäßer Technik verbindet. Dies ist auch an seinen eigenen Schriften zu erkennen: klassische Hingabe zum Detail, verbunden mit moderner und sinnvoller Ausarbeitung der Schriftsätze prägt den Charakter seines Schriftsortimentes.

Neben der eigentlichen inhaltlichen Analyse entschieden wir uns für eine moderne Magazin-Gestaltung, um eben genau auf diese vielseitige Einsetzbarkeit einzugehen. Die Seiten des Magazins selbst sind dabei minimalistisch und modern gestaltet. Wir wollten die Schrift selbst ohne schmückendes Beiwerk wirken lassen. So zeigt sich, dass die Niko, die zunächst als »Zeitungsschrift« entworfen wurde, auch sehr gut als Headline-, Fließtext oder Schmuckschrift einsetzbar ist.

Fotos: Sybille Schmitz, Text: Ken Jatho und Selina Schwander
Typografie (2. Semester):  BMD 0417
Buchgestaltung: Die Trump Mediäval, eine moderne Antiqua

Georg Trump, Meisterschüler von F. H. E. Schneidler, hat maßgeblich die heutige Schriftentwicklung beeinflusst. Schriften wie die »Trump Mediäval«, »Schadow« oder auch die etwas verspieltere »Delphin« wirken auch heute noch zeitgemäß. Dass sich die Person Trump nicht nur auf Schrift reduzieren lässt haben die Studierenden der BMD 0417 in ihrem Buch mehr als eindrucksvoll bewiesen: so wird der Wahl-Münchner Georg Trump als Maler, als Student, als Persönlichkeit, Gestalter, Lehrer und Schriftentwerfer porträtiert.

Einen Themenschwerpunkt des Büchleins nimmt die Analyse der Antiqua »Trump Mediäval«  – die zunächst unter anderem Namen im Schriftenkatalog von C. E. Weber erscheinen sollte – ein. So kann ihre lange Entstehungsgeschichte anschaulich nachvollzogen werden. Von anfänglichen Entwürfen – Trump hatte schon in den 40er Jahren eine Antiqua römischen Stils gezeichnet – zu konkreteren Varianten im Jahre 1952 bis hin zur umfassenden Präsentation auf der Drupa 1954.

Georg Trump sagte selbst über dieses Projekt: »Ich habe diese Schrift […] begonnen aus dem Wunsch heraus, endlich einmal eine Schrift zu machen, die modern und gut zugleich sein sollte und die als Buchschrift an Stelle der Walbaum, Garamond oder Janson verwendet werden kann.«*

Selbstverständlich werden auch die einzelnen Zeichen, Gußtabellen sowie Kerningpaare genauestens analysiert.

Jochen Schuster und Tanja Aigner haben das Layout nochmals umfassend überarbeitet – Jochen hat dabei akribische Satzkorrekturen vorgenommen, um dem Semesterprojekt der BMD zum rechten Gewand zu verhelfen.

Das Buch selbst besticht durch die Kombination von klassischer Gestaltung mit modernen Elementen, dem Zusammenspiel der Farben grau, schwarz und orange, einem einfachen Buchbinderkarton in Kombination mit auffälligem Farbschnitt. Trump hätte das Buch, ohne hochmütig werden zu wollen, vermutlich gefallen.

*  Georg Trump, Brief an Siegfried Buchenau, 5. Februar 1954

Fotos: Sybille Schmitz
Stehsatz–Fundamente

Schrift und Typografie befinden sich im digitalen Wandel – sind dynamisch, elastisch, emotional, fluid, kinetisch, seriell, temporal sowie vieldimensional anwendbar – und das in allen Medien. Augmented und Virtual Reality, sensorgesteuerte Geräte und Bildschirmoberflächen können ohne gute Typo­grafie nicht auskommen. Auch das gute Buch – reactive oder im klassischen Gewand – ist kaum wegzudenken. Die Technik offenbart eine Vielzahl an Möglichkeiten. Herausforderung bleibt es nach wie vor, diese sinnvoll und nicht inflationär zu nutzen, kontextbezogen und konzeptionell durchdacht einzusetzen – gute gestalterische Fundamente zu stärken, bewährte Grundlagen in den wesentlichen Gestaltungsdisziplinen zu untermauern.

Stehsatz #5 beschäftigt sich mit ebendiesem Span­nungsfeld aus Tradition und Moderne, hat Studio Dumbar in Rotterdam, Commercial Type und Studio Isometric in New York interviewt. Die Bachelorarbeit von Sofia Gronard beschäftigt sich mit der Zukunft der Sprache, Lucas Wurzacher lässt individuelle, virtuelle Resonanzräume entstehen.

In der Rubrik Druck und Papier wird neben kunstvollen internationalen Papierartefakten – zu sehen auf Global Paper 4 – dem Begriff Papierkunst nachgespürt, Upcycling im kreativen Hochdruck gezeigt sowie auf der Messe KreativArt vorgestellt.

Ein Reisetipp, ein Bauhaus Special, anlässlich des Bauhaus-Jubiläums 2019 sowie ein ausführlicher Showroom mit den Rubriken Visualisierung, Edito­rial Design, Experimentelle Typografie und Kalli­grafie komplettieren das Magazin.

Die 5. Ausgabe liegt vor mir und hinter mir eine lange Zeit des Bangens um deren Realisation. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei unseren Anzeigenpartnern (Naturheilpraxis Adamietz, Mediadesign Akademie für Aus- und Weiterbildung GmbH, richtungspfeil.de, Serviceplan, Typographische Gesellschaft München e.V.) bedanken, ohne die unser Stehsatz-Magazin in diesem Jahr nicht gedruckt hätte werden können.

Fotos: Sybille Schmitz
Typografie (2. Semester): Victoria Eckl, Katharina Hengster
Buchgestaltung: Klingspor, Koch, Neue Kabel – eine Schriftanalyse

Dem geschulten Auge werden im Schriften-Durcheinander unseres digitalen Zeitalters immer wieder Spuren Rudolf Kochs begegnen. Koch rückte in die erste Reihe der Buch- und Schriftgestalter seiner Zeit, denn mit seiner ganz eigenen Art zu Schreiben ließ er alle hinter sich. Kochs Portfolio umfasste hauptsächlich gebrochene, meist Rotunda- oder Fraktur-Schriften, aber auch Serifen-Schriften. Diese zeichnen sich durch den starken persönlichen Ausdruck des Schriftmeisters aus, der mit beinahe religiöser Hingabe Schriften entwickelte.

1927 schien es ihm sehr verlockend, eine Schrift mit Zirkel und Lineal zu entwerfen. So entstand eine »eindeutige« Schrift ihrer Zeit – die Kabel. Mit lediglich einfachen und klaren geometrischen Formen wie Kreisen, Quadraten und Dreiecken konstruiert und mit einigen Art Deco Elementen geschmückt, trägt sie ohne jeglichen Zweifel Kochs Handschrift.

Während viele deutsche Schriftentwerfer Kochs gebrochene Schriften und Serifen-Schriften bewunderten und studierten, blieb die Kabel von ihnen weitgehend unbemerkt und so verschwand sie, wie viele ihrer Zeitgenossen, in den 30er Jahren.

Mit dem Aufkommen des Fotosatzes, konnten nicht-lizensierte Kopien von Schriften erstellt werden und auch Kochs Kabel fiel dem zum Opfer. Cable, Kabell oder Kabeln sind nur ein paar der zahlreichen Schriften, welche von verschiedensten Fotosatz-Unternehmen als Kopien erstellt wurden – oft wurde hierbei behauptet, dass sie das Original verbessern würden, obwohl sie die entscheidenden Eigenschaften des Designs entfernten oder neue, nutzlose Bestandteile hinzufügten.

Im Jahre 1975 entwarf Victor Caruso mit einer Sonderlizenz eine frische Interpretation der Kabel für die International Typeface Corporation (ITC) und änderte Proportionen und Mittellängen – das Design sollte hierbei so wirken, als hätte es Koch möglicherweise selbst gestaltet, wenn ihm damals der Fotosatz zur Verfügung gestanden hätte. Um die wirklichen und ursprünglichen Absichten des Designers widerzuspiegeln, war es 2013 Zeit für eine erneute, umfassendere Wiederbelebung der Kabel. Die Idee kam Marc Schütz, einem Dozenten der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, als seine Studenten eine Schrift für ihr Jahrbuch benötigten: Er wählte die Kabel. Sie repräsentiert die lange Geschichte der Hochschule, an der Koch selbst Professor war.

Zunächst zeichnete Schütz nur die für das Jahrbuch benötigten Buchstaben. Dies war der Beginn einer kompletten  Wiederbelebung des Klassikers. Dabei wollte er die historischen Merkmale bewahren, ebenso wie die Gestaltung für die moderne Anwendung nutzbar machen; die neue Kabel sollte auch für ein Lexikon oder eine Doktorarbeit passend sein. Schütz gelang es, tradierte Eigenschaften mit zeitgemäßen Anforderungen zu verbinden. Marc Schütz’ Redesign inspirierte uns, seine Interpretation der Kabel für unsere Schriftanalyse herauszugreifen.

Im Gesamten umfasst unsere Analyse drei Bücher. Jedes behandelt ein Thema: Das erste Buch setzt sich dabei mit Koch und seinem Leben auseinander. Der 1876 in Nürnberg geborene »Meister der Offenbacher Werkstatt«, wie er würdevoll schon zu Lebzeiten genannt wurde, ließ Schrift zum Ausdruck des Inhalts werden. Deshalb wird er auch heute noch für seine Handschriften, Schriftblätter und Schriftteppiche bewundert. Im Jahre 1906 führte ihn die Entdeckung, mit einer Breitfeder Druckschriften niederzuschreiben, zu der damaligen Rudhardschen Schriftgießerei (später Klingspor). Diese wurde von Karl Klingspor geführt. Die fruchtbare Zusammenarbeit wird im zweiten Teil unserer Arbeit dargelegt.

Der wesentliche Anlass unserer Studie wird im dritten und letzten Buch veranschaulicht – die Geschichte der Kabel, die sorgfältige Untersuchung ihrer Buchstaben und Ziffern sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten. Das abschließende Interview mit Marc Schütz komplettiert das Buch.

Unser Buch ist modern gestaltet und weist zugleich den nötigen Werkcharakter auf – unterstrichen durch selbstgefertigte Siebdrucke. Jedes einzelne Buch besitzt dabei eine eigene Grafik und kann für sich alleine stehen.

Fotos: Sybille Schmitz, Text: Katharina Hengster und Victoria Eckl