Stehsatz

Sofia Wittman
Bleistaz 1: Einzelblätter zum Thema »Freiheit«
Typografische Textstudien und Satzexperimente

»Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut.« (Perikles, 5. Jhr. v. CHR.)

Freiheit, was ist das? Ein Wert, ein Abstraktum, ein Gefühl. Sie exisitiert in vielen Formen: beispielsweise die geistige Freiheit, die gestalterische Freiheit, die freie Seele, die Vogelfreien, die Handlungsfreiheit, die Freiheitsstatue, der Freiraum. Freiheit bedeutet im Wortsinn »ohne Zwang entscheiden zu können«. Freiheit wurde schon in den Wäldern (Thoreau) gesucht, aber auch in hohlen Gassen (Schiller) erzwungen. Gedanken sind frei. Oder doch nicht?

Aber gerade diese Freiheit ist eben auch ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Vielmehr fürchten wir uns oft vor allzu grosser gestalterischer Freiheit und ziehen ihr engmaschige Raster vor, die eben genau dieses Privileg, frei entscheiden zu können, einschränken.

Im Kurs Bleisatz 1, begleitet von unserem Druckermeister Günter Westermaier und mir, haben sich nun die Studierenden Antonia Aschenbrenner, Silvia Rädermacher, Marina Scalese, Christin Warncke und Sofia Wittmann mit unserem Semesterthema »Freiheit« auseinandergesetzt. Entstanden ist dabei ein buntes Potpourrie an Einzelblättern, das sich dem Thema spielerisch annähert. Skurril zusammengestellte Einzellettern diverser Schriften, umfunktioniertes Unterbaumaterial und Plakatschriften aus Holz dienten dabei als Material. »Es lebe die Freiheit!«

Fotos: Sybille Schmitz
*30.11.1933 – † 03.06.2018
»Zum Andenken an unseren Mentor Peter Gericke – Schriftkünstler, Lithograf, Typograf & Freund«

Eine »karge Auswahl« an Klingsporlettern war im September 2011 der Auslöser einer für mich persönlich wie auch für die Werkstatt schicksalhaften Begegnung. Die Handvoll Lettern, die ich auf dem Obermenzinger Flohmarkt zusammen mit allerlei Gerümpel darbot, sind Peter Gerickes Adleraugen nicht entgangen, sie haben seine Neugier geweckt, es entspann sich sogleich ein Gespräch und unverhofft war ein Kontakt hergestellt, der fortan prägend sein sollte.

Bald war Peter Gericke mein Mentor, der auf schier unerschöpfliches Wissen zurückgreifen konnte, charmanter Ratgeber und nicht zuletzt war er mit seiner ansteckenden Begeisterung ein entscheidender Antrieb in der schwierigen und von viel Unsicherheit begleiteten Phase der ersten Werkstattjahre. Elementarer Teil seiner unbedingten Hingabe an die Sache war auch, dieses Wissen mit Freude weiterzugeben. So gab er bereits zwei Monate, nachdem wir uns getroffen hatten, seine ersten Kurse an der MD.H.

In seinem Initialenkurs etwa verfolgten die Studierenden des digitalen Zeitalters staunend den langen Weg vom Entwurf der Initiale bis hin zum fertigen Druckwerk auf der Handpresse. Der Schriftlithograf ließ dabei die Studierenden frei, also zunächst ohne restriktive Vorgaben arbeiten. Durch systematische Variation, gezielte Korrekturen und zahlreiche immer wieder verworfene Ideen, fanden viele sanft geleitet ihre ganz individuelle, eigene Ausdrucksform. Meister Gericke nahm sich dabei stets die notwendige Zeit, ohne, wie es in der heutigen höchst arbeitsteiligen Welt notwendig scheint, in Zeitfenstern gedrängt zu agieren. Er ließ keine Frage unbeantwortet, die Sache an sich, die Qualität des Ergebnisses waren das Maß der Dinge, das Maß des Tuns. Eine im allerbesten Sinne »altmodische« Einstellung.

Zudem hatte der stets charmant, mit Haltung auftretende Meister immer anregende und heitere Anekdoten zu erzählen aus seinem Leben, das stets geprägt durch Schrift, Sprache und – damit verbunden – Typografie war. So wurde also in den Kursen des bald 80-jährigen Lehrers und der jungen Studenten vergnügt gezeichnet, ausgelassen gelacht und angeregt parliert, was jeden Kurstag zu einem Erlebnis machte und darüberhinaus eine wunderbare Sammlung an Initialen hervorbrachte – selbstverständlich meisterlich korrigiert.

Peter Gericke unterstützte uns in den vielfältigen Belangen der Handsatzwerkstatt. Nicht selten war er dabei der Retter, stets zur rechten Zeit herbeieilend, das fehlende Achtel ergänzend und, nur sanft tadelnd, die Schieflagen gerade rückend. So ergänzte er zum Beispiel im Jahre 2014 bei der Weihnachtsaktion etliche fehlende Buchstaben der Plakatschrift  – indem er kurzerhand neue Lettern von Hand schnitt.

Zusammen organisierten wir eine Menge an Schriften und Werkstattausstattung, stets unterstütze er bei deren Evaluation sowie Transport und sorgte so für den heutigen, beachtlichen Bestand.

Sieben Jahre unterrichtete Peter Gericke an der Mediadesign Hochschule und begeisterte mit seiner Menschlichkeit, seiner Geduld, seinem enormen Können in Schriftgestaltung, Handsatz und Druck. Er war die gute Seele unserer Werkstatt. Sein Motto »Ich halte nichts davon, alles für mich zu behalten, dann geht es verloren« ist uns nunmehr Verpflichtung, die Fackel weiter zu tragen.

Am 3. Juni 2018 ist Peter Gericke nach langer Krankheit zu Hause gestorben – ein einzigartiger Mensch, ein beseelter Lehrer, ein wahrer Meister. Er wird uns fehlen. Er fehlt uns schon jetzt. Danke für alles!

Stimmen von Kursteilnehmenden

»Es fällt mir schwer auszudrücken, wie sehr ich es schätze, Herrn Gericke kennengelernt zu haben, ohne dabei pathetisch zu klingen. Egal ob in Venedig auf Studienreise mit beindruckender Kondition oder als unser Lehrmeister bei verschiedenen Kursen an der Hochschule: so zurückhaltend und leise er mit uns Studierenden dabei auch sprach, jeder Satz und jeder Strich mit dem Bleistift waren von höchster Präzision und lehrte uns Demut und Respekt vor seiner Geduld, Erfahrung und seiner großen Klasse als Schriftlithograf. Herr Gericke wird uns fehlen.« (Jakob Kreitner)

»Es brachte ihm stets Freude und Erfüllung mit kreativen und eifrigen Menschen (Studenten) zusammenzuarbeiten. Ich habe viel von ihm gelernt und werde die Zeit mit ihm in Erinnerung halten.« (Dani Ibler)

»Herr Gericke, wie ich ihn in Erinnerung behalte. Ein Mann der Schrift und der Heiterkeit. Vertieft im Wesen der Buchstaben, wohlgelaunt und geduldig. Neugierig, dem Leben zugewandt und heiter beteiligt am Schaffen vieler junger Studenten. Möge er noch lange im Geiste diesen Einfluss auf unser Bewusstsein ausüben. Danke vielmals Herr Gericke.« (Paul Kistner)

»Herr Gericke, Sie sind kein Mann der großen Worte. Dafür aber ein Mann der großen Taten und mit einem großen Herzen. Bis zum Schluss, waren Sie stets bemüht Ihrer Leidenschaft und Berufung der Schriftkunst nachzugehen und diese jungen Menschen wie uns zu vermitteln. Dafür möchte ich Ihnen danken.« (Tatjana Medvedev)

Fotos: Jakob Kreitner, Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Thomas Fäckl

In seiner ersten Schriftarbeit wendet sich Thomas Fäckl auf experimentelle Weise der Frage zu, inwieweit formvollendete typografische Zeichen – gewissermaßen perfekte Buchstaben einer ausgereiften Schrift – noch reduzierbar sind und dabei erkennbar bleiben. Seine Versuchsreihe realisierte er von Hand in der hauseigenen Druckwerkstatt durch stetig zunehmendes Abdecken der Plakatlettern einer Groteskschrift. Die Anmutung radikaler Reduktion wird unterstrichen durch den »brutalistischen« Hintergrund einer Betonwand, auf dem die Drucke in Szene gesetzt sind.

Fotos: Janina Engel, Thomas Fäckl
50 Gebote und eine Hommage an Georg Trump
Typografie 2: Tanja Aigner, Miriam Ellwanger, Anica Friedrich, Fabian Gürlebeck, Melanie Knappe, Tim Kubitz, Sarina Mödinger, Carina Rückerl, Lukas Sammetinger, Josef-Joachim Schuster

Der Kurs Typografie 2 gliedert sich in die Aufgabenbereiche Variation, dem gestalterischen Erproben vorgegebener Rasterstruktur sowie schlußendlich der selbstständigen inhaltlichen und gestalterischen Entwicklung eigener Satzspiegel- und Rasterstrukturen.

Zum Abschluss standen die Teilnehmer des Kurses diesmal vor der Aufgabe, gemeinsam ein Buch zu gestalten, vorab dafür zum Thema zu recherchieren, Layoutkonzepte zu entwickeln und dann zu einem vorzeigbaren Werk zu vollenden. Das von mir vorgegebene Thema war, den renommierten, am Ende des vergangenen Jahrhunderts verstorbenen Schriftgestalter Georg Trump zu porträtieren, sowie einen Einblick in dessen Arbeit zu gewähren.

Nachdem der Kurs begriffen hatte, dass es bei Trump nicht um den amerikanischen Präsidenten geht, haben die Teilnehmer eifrig recherchiert, in mehrwöchiger Arbeit ein Buch geschrieben und gestaltet, das sein Lebenswerk resümiert und würdigt. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Trump Mediäval, die der Schriftgestalter selbst als seine beste Arbeit betrachtete.

»Charakter ist nötig um Charakter zu schaffen«, schrieb Phillip Luidl über das Ausnahmetalent Georg Trump, der heute weitgehend nur noch Fachleuten bekannt ist. Die entstandenen Arbeiten hat der Kurs letzte Woche präsentiert und dabei Charakter bewiesen!

 

 

Typografische Textstudien und Satzexperimente
zu Thomas Bernhard: Das Kalkwerk (1970)

Im Kurs Bleisatz 1 entsteht derzeit ein Mappenwerk – also eine lose Blattsammlung –zu Thomas Bernhards Roman »Das Kalkwerk«, genauer gesagt zu einem kurzen Auszug daraus [Thomas Bernhard: Das Kalkwerk (1970), Suhrkamp, Seite 73].

Bernhards Schreibstil ist durchweg anspruchsvoll, geprägt von wahnhaft-fiebrigen Monologen, schier endlosen Sätzen in indirekter Rede, Polemik und bernhardscher Boshaftigkeit. Seine Texte handeln stets von menschlichen Abgründen und zersetzen die »katholisch-bürgerliche Moral«. Mit seinem Roman »das Kalkwerk« widmet er sich dem Versuch der Niederschrift einer vermeintlich wissenschaftlichen Studie. Sein Protagonist Konrad dechiffriert die Unerträglichkeiten des Alltags. Dabei nutzt, bzw. mißbraucht er seine an den Rollstuhl gefesselte Frau zu pseudowissenschaftlichen Studien.

[…] wie lange habe ich nicht mehr mit dem kurzen I experimentiert, oder, wie lange nicht mehr mit dem kurzen O, oder mit dem kurzen A oder mit dem kurzen U. Einmal sage er ihr den Satz »Im Innviertel habe ich nichts« beispielsweise von links ins Ohr, dann von rechts, abwechselnd von rechts und von links. Er mache in einer Stunde etwa zwei Seiten Notizen.

Der Text scheint also wie geeignet zu ersten typografischen Satz- und  Text-Experimenten im Bleisatz, die vom Druckermeister Günter Westermaier handwerklich und von mir selbst typografisch begleitet werden.

Dabei entwarfen, gestalteten und druckten die Kursteilnehmer Magdalena Stricker, Sakuya Miesczalok, Stephanie Moll, Thomas Fäckl und Josef-Joachim Schuster eigenständig jeweils ein A3 Plakat in dem in der Werkstatt vorhandenen, gut ausgebauten und somit dafür geeigneten Letternmaterial Univers, Trump Mediäval sowie Century. Komplettiert mit  Titelblatt und Impressum wird  die Mappe wohl diesen Donnerstag fertig sein. Die Studierenden dürften dann einen ersten Einblick in die Herausforderungen des analogen Druckes und Satzes erhalten haben.

Ich freue mich darauf!

Das beinhaltet Stehsatz #3

Farbe, Form, Struktur, Kultur und Subkultur, Schrift in Anordnung und Auflösung und die Entwicklung von Kalligrafie prägen die Ausgabe unseres Magazins Stehsatz, das wieder pünktlich zum Semesteranfang erscheint.

In der Rubrik »Blick über den Tellerrand« beantwortet uns der renommierte Schweizer Gestalter Niklaus Troxler unter anderem die viel diskutierte Frage, was den Designer in Zeiten der »Digital Natives« ausmacht. Inspiration für alle passionierten Gestalter gibt es zudem vom Luzerner Gestaltungsbüro Studio Feixen.

Das bereichernde Spannungsfeld zwischen Etabliertem und Subkultur führt unsere Stu­die­renden in abgelegene Orte Münchens, nach Dresden und nach Lissabon.

Von »Studenten für Studenten« legt in diesem Jahr seinen Fokus auf das Thema Auslandsaufenthalt. So berichten die Media Design Studentinnen Anna und Lilian von ihren Praktika in Singapore und Barcelona, die jungen Designerinnen Mia Stevanovic und Maria Weiss erzählen über Studienerinnerungen sowie aus ihrem derzeitigen Leben in den europäischen Metropolen Amsterdam und Zürich.

Die Rubrik Bleisatz beschreibt ­Arbeiten, Persönlichkeiten und besondere Arbeitsweisen unserer Münchner Hand­satz­werkstatt.

Abgerundet wird unser Magazin wieder durch den Showcase, der mit Murmur, Dazzle Camouflage und der Analyse zur Janson-Antiqua einige niveauvolle Studentenprojekte portraitiert.

Fotos: Boris Braunstorfinger
Bleisatz 3 – Initialen entwickeln

»AD« steht nicht nur für »Artdirector« oder »außer Dienst«, es sind die Initialen eines der bedeutendsten Künstler der Renaissance: Albrecht Dürer. Eine Initiale ist mehr als ausgeschmückter Anfangsbuchstabe, der früher in handgeschriebenen Texten den Anfang eines Kapitels oder eines Abschnittes markierte. Richtig gemacht sind sie Markenzeichen, Logo und Unterschrift in Einem. Ob als Einzelzeichen oder kombiniert zu einem Monogramm, können sie mehr als reine Zierde sein und mit starker Aussagekraft und Symbolwirkung ausgestattet werden.

In seinem Initialenkurs lässt Schriftlithograf Peter Gericke deshalb in Manier der Altmeister wie F. H. Ernst Schneidler die Studierenden vor allem frei arbeiten. Durch viel Probieren und zahlreiche immer wieder verworfene Ideen, finden sie so ihre eigene Ausdrucksform und bekommen dann immer wieder nützliche Hinweise: »Dreh den Gegenraum ins Schwarze und arbeite das Zeichen, dann im Weißraum heraus!«

Projekt Bleisatz in Garching: Janina Engel, Elisabeth Koster, Dorothée Martin, Minh Nguyen, Nico Janson, Elena Traurig
Die Story von Pronto Soccorso und Beauty Case

Es war der 10 Februar 2017 und 6 StudentInnen begaben sich auf die Fahrt nach Dirnismaning unweit von Garching, zur schriftenreichen Bleisatzwerkstatt »officin albis« von Werner Hiebel. Dort angekommen wurden sie mit offenen, freundlichen Armen von Herrn Hiebel und Herrn Gericke empfangen und umgehend in die Kunst des Bleisatzes eingeführt.  Gesetzt wurde eine leicht gekürzte Fassung der Kurzgeschichte »Die Story von Pronto Soccorso und Beauty Case« von Stafano Benni. Jeder Studierende bekam eine Passage der Geschichte, die mit der Times New Roman in Brotschriftgröße gesetzt wurde.

Die ersten Anläufe fielen jedem der Teilnehmer doch etwas schwer, bis man mit der Zeit und mit geduldiger Anleitung schließlich das Gefühl für die Bleisatztechnik entwickelt hatte. Werner Hiebel und Peter Gericke nahmen sich sehr viel Zeit, keine Frage blieb unbeantwortet und sie erzählten dabei viel über ihre persönlichen Erfahrungen mit und ihren Weg zur Typografie. Der Workshop fand über mehrere Wochen statt, somit fand sich auch für die Gestaltung des Büchleins genug Raum.Die Kurzgeschichte wurde mit ausgewählten Worten jeder Textpassage in einem Überdruck in roter Farbe in der Braggadocio 278 gestaltet.

Als Abschluss hatte Herr Hiebel ein trefflich passendes Titelblatt gedruckt. Das fertige, wirklich ansehnliche Produkt wurde bei der Wiedereröffnung der Buchdruckwerkstatt präsentiert, jede Teilnehmerin, jedem Teilnehmer dabei ein Exemplar überreicht. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Herrn Gericke und Herrn Hiebel für die erfreuliche und interessante Erfahrung im Bleisatz.

Fotos: Nico Janson
O’druckt is!
Wiedereröffnung der Handsatz-Werkstatt in München

Am 11. Mai 2017 konnten wir unsere sehnsüchtig erwartete Wiedereröffnung der Handsatz-Werkstatt an der Mediadesign Hochschule München begehen. Nach mehreren Monaten umbaubedingter Pause werden wir nun den Betrieb wieder aufnehmen. Anlass genug, dies bei einem Gläschen Wein gemeinsam mit Studierenden, Mitarbeitern und der Leitung der MD.H zu feiern. Die Veranstaltung mit dem launigen Titel »O’druckt is!« gab den Anwesenden die Möglichkeit, vorgedruckte Plakate mit dem eigenen Namen, unter Anleitung auch selbst gesetzt, an einer Druckmaschine als Erinnerungs- und Anschauungsstück zu drucken.

Im Vorfeld hat ein freiwilliges studentisches Team aus dem Fachbereich Media Design diese farbenfrohen Plakate ersonnen, gesetzt und mit Handwalze auf der »Nudel« oder in der FAG im Irisdruck vorbereitet.

Die Werkstatt eröffnete am 11. November 2010. Seither ist die Zahl der Maschinen stetig gewachsen, ebenso Qualität und Wissen. Es wurden über die Jahre zahlreiche Leseproben, Plakate, Karten, Schriftmuster und mehrere Leporellos gestaltet, gesetzt und gedruckt. Nicht selten mag hier dem ein oder anderen aufgefallen sein, dass Setzen und auch Drucken mit Hingabe gelernt sein muss, Muße und Geduld sowohl fordert als auch fördert. Initialen und Monogramme wurden hier gezeichnet, erarbeitet und von Meisterhand überarbeitet, klischiert und schlussendlich gedruckt. Die »Digital Natives« wurden und werden von Experten gesetzten Alters in dieser alten Kunst eingewiesen, angeleitet, gelobt, manchmal auch sanft getadelt, aber stets von der Begeisterung der erfahrenen Meister mitgerissen. Zu sehen, dass junge Studierende mit einer Technik, die in weiten Bereichen vom Digitalen ersetzt wurde, inspirierende Erfahrungen machen und horizonterweiternde Handarbeit mit greifbarem Ergebnis erleben, ist stets aufs Neue vergnüglich.

Dank gilt dem studentischen Team Dani, Dorothée, Lucas, Marina, Max, Minh, Nico, Sofia, Simon und Theresa, sowie unserem Meister Peter Gericke, der tatkräftig half, und nicht zuletzt auch den Förderern in der Hochschule.

Fotos: Jan-Marc Zublasing, Nico Janson, Lucas Wurzacher
Fraktur, Schneidler, Zentenar
Schriftanalyse 2. Semester: Jakob Kreitner, Daniela Ibler

80 Jahre ist es inzwischen her, dass Friedrich Hermann Ernst Schneidler mit den Arbeiten an der »Zentenar« begann, einer Fraktur, die zum hundertjährigen Bestehen der Bauerschen Schriftgießerei in Frankfurt am Main in Auftrag gegeben wurde. Doch obwohl die Schrift des Begründers der »Stuttgarter Schule« von vielen Typografen wie beispielsweise dem Schneidler-Schüler Albert Kapr für eine, wenn nicht sogar die schönste aller Frakturen, gehalten wird, so ist sie, wie alle gebrochenen Schriften, dem modernen Menschen fremd geworden. Dass es sich hierbei um ein trauriges Missverständnis handelt, soll mit unserer in drei Teile gegliederten Schriftanalyse auf knapp 300 Seiten herausgearbeitet werden:

Im ersten Abschnitt geht es um die Geschichte der Fraktur. Dabei wird mit zahlreichen Beispielen erläutert, wie die gebrochene Schrift und insbesondere die Fraktur entstanden ist und über die Jahrhunderte zu der den deutschen Sprachraum dominierenden Schrift aufsteigen konnte. Ausgerechnet von den Nationalsozialisten in einem verleumderischen Akt als »Schwabacher Judenletter« verboten, fand sie erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Subkulturen wie dem Hip-Hop ihren Platz und ist heute wieder mehr als Zierde bajuwarischer Gasthäuser.
Im zweiten Abschnitt des Buchs wird die Person des Friedrich Hermann Ernst Schneidler näher beleuchtet. Neben einer Abhandlung seines Lebenslaufs und zahlreichen Beispielen seines umfangreichen Schaffenswerks wie dem »Wassermann«, der »Juniperuspresse« und den verschiedenen Schriften, die er zeit seines Lebens schuf, kommen auch immer wieder viele seiner ehemaligen Schüler zu Wort, die er als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart maßgeblich in ihrer Entwicklung prägte.
Der dritte Teil beschäftigt sich dann im Detail mit der »Zentenar«. Dabei wird auf den Entstehungsprozess näher eingegangen, die Schrift mit ihren verschiedenen Schnitten und Initialen wird aufgezeigt und auch die Problematik zwischen dem für den Bleisatz geschaffenen Original und der digitalisierten Variante wird angesprochen. Zuletzt steht eine Anleitung, wie man am Beispiel der »Zentenar« mit einer Fraktur richtig umzugehen hat und ein Fazit rundet das Buch ab: Die große Zeit der Fraktur ist vorbei und wird auch nicht zurückkommen. Gerade deshalb ist es schade, dass die »Zentenar« nicht den Grad an Verbreitung erlangen konnte, den sie verdient hätte. Unsere Arbeit soll diesem Vergessenwerden entgegenwirken.

Unser Buch ist im Layout entgegen altbackener Klischees von gebrochenen Schriften klar und modern gestaltet. Während sich auf dem schlichten in weiß gehaltenen Einband nur die schwarzen Initialen des Titels finden, kann man im offenen Buchrücken bereits die den drei Teilen des Buchs zugeordneten Farben erahnen. Das Format dagegen wurde durch Schneidler selbst bestimmt, denn eine Doppelseite entspricht einer Seite seines »Wassermanns«. Den dynamischen Elementen der Fraktur wurde die ruhige »FF Din« entgegengesetzt, die als Hauptschrift fungiert, während die »Zentenar« vor allem für Überschriften verwendet wird und die »Adobe Caslon« sowie die »Schneidler Schwabacher« als Nebenschriften dienen.