Stehsatz

unverstanden
Bachelorarbeit: Larissa Gorzawski
Philipp Luidl († August 2015)
unverstanden

die neugier des fensters

wächst mit der dunkelheit
lösch ich das licht

wendet das fenster
sich an den himmel

dort redet der stern
die sprache der schöpfung

und nacht für nacht
wiederholt das glas
die unverstandenen worte

Was kann man finden – nur in diesen paar Zeilen Text? Schon auf den ersten Blick werden aus dem Gedicht des Typografen Philipp Luidls intensive Emotionen ersichtlich – aber was, wenn man noch tiefer geht?

Mit Feder und Tinte spüre ich in meiner Bachelorarbeit allem nach, was in diesen elf Zeilen Text verborgen ist. Ich verzeichne die Rhythmik und die Balance ebenso wie die Emotionen, bis eine dichte, umfassende Karte entsteht.

Autor: Larissa Gorzawski, Fotos: Lars Reiners

Bleisatz 1: Annäherung an die Schwarze Kunst

Silhouette meint in der bildenden Kunst eine Umrisszeichnung, einen Schattenriss. Im übertragenen Sinn kann man eine Person auch mit Worten umreißen, etwa durch Adjektive, Eigenschaftswörter, die den Charakter der Person beschreiben.

In unserem Kurs (Bleisatz 1) gaben der leitende Druckermeister Günter Westermaier und ich die Aufgabe aus, aus einer der verfügbaren Brotschriften eben jene Eigenschaftswörter zu setzen und diese in einer Weise anzuordnen, die die Silhouette im Profil nachzeichnet. Jeder Studierende portraitierte sozusagen sich selbst, in Schriftwahl, Wort und Bild. Eine amüsante, vielschichtige Annäherung an die eigene Person, zugleich eine spielerische Annäherung an das weite Feld der Schwarzen Kunst.

Entstanden ist ein Leporello mit allen 10 Teilnehmern, die mal tüftelnd, mal fluchend, zumeist jedoch frohgemut sich selbst portraitierten.

»Der Steppenwolf« – Manipulation an der Buchform
Typografie 3. Semester: Julian Schöll

Die Lektüre eines Buches, intensiv gelesen, beeinflusst kurz-, manchmal gar langfristig das eigene Selbstverständnis. Der Leser nimmt seiner persönlichen Präferenz entsprechend Passagen, Botschaften etc. aus einem Buch auf, rezitiert diese oder bindet diese manchmal sogar in sein eigenes Denken, sein Weltbild mit ein. Wenn man so will: ein Stück Macht in den Händen des Autors, inklusive der Möglichkeit der Manipulation für den, dessen Waffe das Wort ist.

Diese, dem Prozess des Lesens innewohnende Veränderungsvielfalt wollte ich an eben dem Buch, das vor Jahren mein Denken nicht unbeträchtlich prägte, verdeutlichen.  Jede einzelne Wirkung – ergo Manipulation – unterliegt einer gewissen Logik ebenso wie einem Rhythmus, nichts ist willkürlich zerstört. Der Betrachter ist gefordert das System dahinter selbst zu erschließen.

Autor: Julian Schöll
Schriftanalyse der Futura – Typografie 2. Semester
Jennifer Lutz, Sophie Schillo, Julian Schöll

Die Futura gilt auch heute noch als Beispiel guter Gestaltung, da sie trotz ihres Rufs als Archetyp der modernistischen Schrift, dem klassischen Formgesetz folgt. Dass sie dennoch nicht wie eine entworfene Schrift wirkt, verdankt sie ihrem sorgfältigen Designprozess.

Die Entwicklung der Futura beginnt im Sommer 1924. Sie wird unabhängig vom Bauhaus entworfen, obwohl auch diese eine moderne Gestaltung im funktionalistischen Stil mit elementaren und geometrischen Formen aufweist.

Paul Renners Ziel ist die Gestaltung der Schrift seiner Zeit. Obwohl er ein versierter Typograf ist, ist er in der Schriftgestaltung noch relativ unerfahren. Doch das hindert den Gestalter, der Moderne und Tradition hervorragend zu vereinbaren weiß, nicht dran eine Schrift zu entwickeln, die, obwohl sie so einfach und geometrisch wirkt, in höchstem Maße ungeometrisch und das Resultat langen Experimentierens ist.

Zeitgleich mit der Futura werden auch die Kabel von Rudolf Koch und die Erbar von Jakob Erbar veröffentlicht, die der Futura ähneln. Renner betont jedoch, dass diese Schriften erst nach der Futura entwickelt wurden, die er schon in frühen Phasen öffentlichen präsentiert hat und nur aufgrund des langen Reifeprozesses gleichzeitig erscheinen konnten.

Trotz allem ist es die Futura, der sofort international der Durchbruch gelang. Ein Grund hierfür sind die Bauerschen Dependancen in Barcelona und New York, sodass sich die Schrift Europa- und USA-weit verbreiten kann. Ab 1930 erobert die Futura die neue Typographie. Selbst Tschichold verwendet sie in der Werbung und in Bücher für den Bücherkreis, eine sozialistische Gemeinschaft. Auch Kurt Schwitters ist ein großer Fan der Futura. Er verwendet sie in seinem Werk »Die neue Gestaltung in der Typographie« und für die CI der Stadtverwaltung Hannover (1929-1934). Er schwärmt über die Futura: »Futura, ihre Vorzüge: Konstruktiv und bestimmt im Ausdruck, klar, exakte Formen, gleichmäßiger Lauf, schmucklos, elegant, rassig, klassisch, rein, edel…«1

In unserer Schriftanalyse, beleuchten wir nicht nur Paul Renners Leben und die Entstehung der Futura, sondern haben uns auch auf die Suche nach neuen Erkenntnissen gemacht. Eine spannende Reise, die uns unter anderem zu Herrn Eckehart SchumacherGebler und nach Dresden in die Offizin »Haag-Drugulin« geführt hat. Im zweiten Teil widmen wir uns dann der ausführlichen Analyse der Einzelzeichen sowie einem Schriftvergleich. Und gelangen zu der Erkenntnis, dass Paul Renner vor 90 Jahren nicht nur die Schrift seiner Zeit, sondern auch die unserer entwickelt hat.

Autor: Jenny Lutz
1 Harzmusum der Stadt Wernigerode, »Paul Renner, 9. August 1878 – 25. April 1956, dem Schöpfer der Futura zum 125. Geburtstag.«, S. 40

 

Visualisierung 1. Semester: Katharina Krepil
Visualisierung der vier Jahreszeiten

Der Ansatz dieser Arbeit ist es, eine abstrakte Darstellung der Jahreszeiten durch die Palette der jeweiligen Farben, der jeweiligen Farbtupfer der Landschaft in ihrer jahreszeitlich typischen Kombination zu erreichen. Um diese Farbigkeit nun klar wiederzugeben, ohne die Natur eins zu eins abzubilden, ist die Idee entstanden, Fotos zu verwenden, die den Charakter der Jahreszeit beinhalten und aus diesen Papierperlen zu rollen. Die Perlen nehmen so die Farbe, aber nicht die Form der Landschaft an. Eine ästhetische Anordnung der Perlen, welche gleichzeitig noch das Motto »Vier Jahreszeiten« widerspiegelt, ermöglicht der Abakus. Jener besitzt vier, für die vier Jahreszeiten stehende, gleiche Seiten und vier Streben, auf die die Perlen aufgezogen werden. Ein geometrisch ordnender, den steten Lauf der Natur bzw. der Gestirne unterteilender, gewissermassen unnatürlicher Rahmen für die natürliche, diffus vielfältige und doch typische Farbenpalette des Winters, Frühjahrs, Sommers und Herbstes.

Um dem Thema haptisch und was die Anmutung betrifft möglichst nahe zu kommen, werden Materialien natürlichen Ursprungs verwendet: Holz, Papier und Metall. Der Rahmen besteht dabei ganz klassisch aus Holz, die Stangen aus Metall und die Perlen werden aus bedrucktem Papier gefertigt. Ein Abakus besitzt 44 Perlen, alle zusammengenommen 176 Perlen.

Autor: Katharina Krepil
Fotos: Veronika Disl

Schrift und Kalligrafie 2. Semester
Manuel Schäfer

Einsatz und Auswahl einer Schrift bei der Gestaltung beinhaltet stets eine Aussage. Mit Schriften werden Eigenschaften assoziiert, mit denen die Wahrnehmumg des zu gestaltenden Dokuments beeinflußt, präfiguriert wird. Bei klassischen Schriften der Druckkunst oder der Kalligrafie ist die Schrift vom Entwickler losgelöst – die Geburt einer Schrift bzw. der Schriftentwerfer, als solcher eigentlich erst seit der Renaissance als Person existent, ist meist nur wenigen, den Typographen, bekannt. Anders beim Graffito: hier sind die Schriftzeichen wesentlicher Bestandteil des unverwechselbaren Stils, am markantesten zu erkennen im »Tag«, also der Unterschrift eines Sprühers, dem Wiedererkennungselement, das oft eigentlich unleserlich ist.

Bei dem Projekt wurden Zeichen entwickelt, die denen der Graffiti-Schriftarten sehr ähneln, aber dennoch losgelöst vom Graffito, vom Sprüher funktionieren und sich für einen Fließtext eignen. Die Handschrift, ausschließlich Versalien, vermittelt nun einen dynamischen, persönlichen und bewegten Charakter, der die Herkunft aus der urbanen Umgebung von Industriebrachen und Bahnhöfen nicht leugnet. Im Diptychon, stehen sich Schwarz auf Weiß und Weiß auf Schwarz gegenüber.

Autor: Manuel Schäfer, Fotos: Lars Reiners

Schriftanalyse der Gill Sans – Typografie 2. Semester
Carolin Ganterer, Stefanie Kutzschbach, Christoph Reinwardt, Maria Theresia Steiner

Knapp 90 Jahre nach der Entstehung hat Arthur Eric Rowton Gills markantester Beitrag zur Schriftgestaltung des 20. Jahrhunderts kaum von seiner Beliebtheit eingebüßt. Die Gill Sans erschien 1928 im Auftrag von Stanley Morrison (Monotype Corporation Ltd., London) und kann bis heute als eine der schönsten und lesbarsten Groteskschriften gelten. Die San Serif nimmt Bezug auf die Proportionen der Renaissance-Antiqua, verfügt über stark differenzierte Einzelformen, Strichstärkenunterschiede, eine horizontale Zeilenführung und eine nach links geneigte Achse.

Dem geschulten Auge wird die künstlerische Verbindung ihres exzentrischen Schöpfers zu Edward Johnston nicht entgehen, dessen abendlicher Kalligrafieunterricht wohl Initialzündung für den Kunsthandwerker Gill war. Sie ist »die britischste aller Schriften, nicht nur im Erscheinungsbild (schlank, angemessen und voller zurückhaltendem Stolz), sondern auch in ihrer Anwendung – The Church of England, BBC, der Penguin-Verlag.« [1] 

Die Studierenden Carolin Ganterer, Stefanie Kutzschbach, Christoph Reinwardt und Maria Theresia Steiner haben dieser Schrift zwei sehenswerte Büchlein gewidmet. Sie beleuchten ihre Entstehung und Bedeutung im zeitlichen Kontext, die Unterschiede zwischen Bleisatzformen und digitalen Typen, spiegeln dabei markante Einzelzeichen sowie den Charakter Gills. Lesenswert.

[1] Garfield, Simon, 2010 : Just my Type. Ein Buch über Schriften, Ullstein Buchverlage, Seite 50

[2] Fotos: Veronika Disl, Carolin Ganterer, Stefanie Kutzschbach, Christoph Reinward, Maria Theresia Steiner

»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« [1]  

Die ersten beiden Semester des Studiengangs Mediadesign widmen sich den klassisch gestalterischen Grundlagen in Theorie und Handwerk. Das erste Studienjahr ist Initiation zum bewussten gestalterischen Denken: Systemstudien helfen Dinge zu hinterfragen, semiotische Aspekte wahrzunehmen und letzten Endes Zeichen in Bild und Schrift gekonnt einzusetzen. Die Genauigkeit, Hingabe, die Schulung des Auges fördern gestalterische Impulse. Sie sind im übertragenen Sinne Prolog für die komplexeren Medien, bilden ein sicheres, verlässliches Fundament für alles Folgende.

Die ersten Arbeiten, nicht selten aus schmerzhaften Prozessen heraus entstanden, sind dabei noch weitgehend »unverdorben« von wirtschaftlichen Anforderungen und den Zwängen des Alltags. Nicht zuletzt deshalb zeichnen sie sich durch Individualität, Kraft und Ideenreichtum aus.

Die Ausstellung »Prolog« zeigte am vergangenen Donnerstag (9. Oktober 2014) unter anderem ausgewählte Arbeitsproben der Mediadesigner 1013 aus den Bereichen Fotografie, Kalligrafie und Typografie. Auch Teile der typografischen Kunstausstellung der MD1012, die anlässlich  des Jahrestages des ersten Weltkrieges entwickelt worden war, gab es nochmals zu sehen. Höhepunkt des Abends war der Auftritt der Band »Nails on a Neck«. Ein gelungener Auftakt für das kommende Semester.

[1] Hermann Hesse (1941): Stufen
Fotos: Lars Reiners, Sybille Schmitz
Hinschauen, nachdenken, umdenken, weiterdenken – Prolog 2014
John Haag, Jochanan Hermann, Manuel Schäfer, Florian Schmidt und Stefan Stork
Fotografiearbeit aus dem 2. Semester

Unter einem Portrait (aus franz. Brustbild) wird im Allgemeinen die Abbildung, im übertragenen Sinne auch die Lebensbiographie eines Menschen oder auch einer Gruppe verstanden. Ziel ist es das Wesen oder besondere Charakteristikum des Abgebildeten in der jeweiligen bildnerischen Technik besonders zu betonen.

Die Studierenden John Haag, Jochanan Hermann, Manuel Schäfer, Florian Schmidt und Stefan Stork wollten den Wandel festhalten, den jeder Mensch im Laufe eines Jahres, und im Besonderen jeder der Studenten während des ominösen ersten Studienjahres – Initiation ins Erwachsenenleben & »rite de passage par excellence« – vollzogen hat. Die Bewegung, der Wandel der Person steht dabei besonders im Fokus ihres Interesses – realisiert durch eine längere Belichtungszeit. Schwarz-Weiß versteht sich.

Gleichzeitig changieren die Fotografien in einem diffusen Zwischenraum: einerseits unkenntliches, weil verwischtes Abbild – unbrauchbar z. B. als Fahndungsfoto, weil es Unbekannten nichts Intimes, also das ureigene Gesicht, verrät –, andererseits erhaschen sie gerade in ihrem Ungenauen, im Nicht-Detailgetreuen eine Charakteristik, eine Reduzierung auf das Markante, das der dem Portraitierten Nahestehende unwillkürlich und instinktiv selbst aus einer Vielzahl von Bildern heraus wiedererkennt. Die persönliche Nähe zu einer Person lässt sie zum Mensch werden, nicht die Schärfe eines Dokumentes. Umgekehrt belässt die Distanz dank der Unschärfe den fotografierten Personen eine gewisse Privatsphäre, ihren eigenen Raum.

Die Bilder gibt es auf der Ausstellung »Prolog« am 9. Oktober 2014 in der Mediadesign Hochschule München, neben Arbeiten aus dem ersten 3 Studiensemestern zu sehen.

  
Musikvisualisierung »Kelly watch the stars« von Air
Natalie Krönauer

Die Dualität von Realität und Phantasie sind die zentralen Themen der Visualisierung. So symbolisiert die geflochtene Drahtkugel die Erde in ihrer realen, starren Form mit allen Regeln und Gesetzen. Die Tonfolge (eine Klavierphrase bestehend aus zwei Musikinstrumenten) ist facettenreiches Sinnbild für eine sich offerierende Phantasiewelt; im Inneren der Drahtkugel durch ein schwebendes Objekt aus Würfeln und Pyramiden visualisiert.