Stehsatz

Zu Besuch in der Galerie Handwerk (München)  und Vorstellung der offizin albis in Garching.

Am 10. November unternahmen wir mit den Grundlagenkursen Typografie eine Exkursion zur Münchner Galerie Handwerk. Die Ausstellung »Handpressen oder die Kunst handwerklicher Buchgestaltung (vom 23. Oktober bis 21. November 2015)« war seit langer Zeit in Fachkreisen erwartet gewesen. Dass in Zeiten der übertechnisierten Machbarkeit gerade handwerklich gefertigte Bücher, die typografisch sauber und kunstvoll durchgestaltet sind, begeistern, darf und sollte nicht verwundern. Der Bleisatz, die mit ihm verbundene Haptik, klassisch künstlerische Druckverfahren sowie elegante, dem Inhalt sinnstiftende Papiere vermögen es, dem Inhalt adäquat Leben einzuhauchen – eben zum passenden Umfeld zu verhelfen.

Die Handwerkskammer fokussierte deshalb hauptsächlich aktuelle Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum. So gab es etwa Pressen- und Mischdrucke von Oskar Bernhard, Anja Harms und Eberhard Müller-Fries, der Goldenen Kanne, der officin albis, der Offizin Haag-Drugulin, der bekannten Münchner Handsatzwerksatt Fliegenkopf, von Mechthild Lobisch, Sabine Golde und Johannes Strugalla, etc. zu sehen. Zudem waren einige historische Beispiele der Buchkunst wie die der englischen Pressen zu begutachten: Doves Press und Kelmscott Press, sowie die bis 1934 tätige Bremer Presse.

Druck und Satz

Unser Termin in der Galerie Handwerk war zudem begleitet von zwei weiteren besonderen Ereignissen: einer Vorstellung der eigenen Bücher durch Werner Hiebel (officin albis) und dem angekündigten Drucken mit einer historischen Presse.

Frau Mücke, Schriftsetzerin, extra aus Dresden (Haag-Drugulin) angereist, erklärte detailliert und geduldig die Funktionsweise der historischen Kniehebelpresse und der mitgebrachten Boston-Presse. Auch leistete Sie einigen Interessierten Hilfestellung bei ersten Handsatzversuchen.

officin albis

Der zweite spannende Programmpunkt: Der leidenschaftliche Typograf Werner Hiebel erklärt der Studiengruppe seine Arbeiten. Extra für diese hat er unter anderem seine »Linie 8«, den »MaskenBall der Tiere« und die »Gerhard Rühm Bücher«, auch in produktionsbedingten Zwischenstadien, mitgebracht. Er selbst hat vor 25 Jahren seine »officin albis« gegründet. Die in Garching ansässige »Ein-Mann-Typografieschmiede« verfügt mittlerweile über ein ansehnliches Repertoire an kunstvoll gestalteten Büchern, Plakaten und Karten. »Kunsthandwerk«, so Werner Hiebel, »möchte er aber eigentlich nicht machen«. Seine Bücher seien vielmehr Kunst und Handwerk zugleich. Ein gutes Buch werde immer von innen nach außen gestaltet. Die Gestaltungskonzeption nimmt Bezug auf den Inhalt, keine effekthascherische Grafik. Er bestimmt die Schrift, die Grundstruktur, das Papier, die Farben und Illustrationen. Auch sollte ein Buch vom Anfang bis zum Ende geplant werden. Dies bezieht auch die Anschaffung des für die gesamte Auflage notwendigen Papieres mit ein. Nachlieferungen seien oft schwierig, da ja der Herstellungsprozess mitunter länger dauere, die Sorte im schlimmsten Fall nicht mehr verfügbar sei.

Von Rosenkränzen und Grundformen

So zeichnet sich das Buch »Rosenkränze« des Autors Gerhard Rühm durch den sinnbildlichen roten Faden aus. Dieser durch die Finger gleitende Faden, grafische Metapher zum katholischen Rosenkranz, führt als gestalterische Linie durch das ganze Buch. Die Werke von Gerhard Rühm zählen zur konkreten Poesie, müssten genau genommen auch laut gelesen werden, und so stehen etwa alle Vokale rot gedruckt untereinander.
Sein »calendarium« arbeitet mit den Grundformen des Design. Ein Holzschnitt aus Dreieck, Quadrat und Kreis entwickelt sich über »zwölf Monate« hinweg zur Gesamtform. Produktionstechnisch wird hier mit sog. Formschwund gearbeitet: Die Gesamtform wird Monat für Monat um ein Segment reduziert. Der Titel, eine Heißfolienprägung, wurde aus einer extra gefertigten Futura Buch gesetzt, die Innentexte in akkuratem Flattersatz.

Endlose Bücher und eine literarische Reihe

Die Leporellos »MaskenBall der Tiere« und »Linie 8« zeigen eine gelungene Verbindung aus Typografie und künstlerischer Illustration. Besonders hervorzuheben ist der Bogendruck des Umschlages, der als lange Gesamtform gesetzt, jeweils im Gesamten in der Maschine gedruckt wurde. Im Handsatz gar nicht einfach. Besonders erwähnenswert erscheint mir auch die komplett aus Satzmaterial gefertigte Straßenbahn des Titels. Das Buch »Banane, Katze, Kakadu« spielt gekonnt mit der Verbindung aus Schriftgraden und Schriftarten.

Die officin albis fertigt zudem seit ein paar Jahren eine kleine literarische Reihe im Buchdruck. Unbekannteren zeitgenössischen Autoren, Künstlern und Illustratoren soll die Chance zu einer ersten Veröffentlichung gegeben werden. Auch soll die Sammelfreude der Leser durch erschwingliche Preise geweckt werden. Die Reihe verbindet die typografische Gestaltung des Umbandes und das gleiche Papier. Auch das Maß der Reihe spiegelt sich bereits im Titel.
Die kleinen Bände sind alle für sich genommen typografische Kleinode, die beispielsweise den Texten von Philipp Luidl und Dagmar Nick das passende Umfeld geben.

Was eigentlich alles hinter der Fertigung eines künstlerischen Buches steht, mag einigen Studierenden hier zum ersten Mal richtig bewusst geworden sein. Begeistert durch die Vorstellung seiner Arbeiten in der Handwerkskammer habe ich bald darauf Herrn Hiebel in seiner Garchinger Werkstatt, vor den Toren Münchens, nochmals besucht. Es war auch diesmal ein bereichernder und inspirierender Besuch, den ich allen Typografie- und  Buchfreunden empfehlen kann.

Schriftanalyse 2. Semester: Philipp Elsner, Emily Henderson, Tatjana Burka
Kabel, Klingspor, Koch

Für unser Typografie Projekt »Schriftanalyse« fiel die Wahl auf die seriefenlose Schrift »Kabel« von Rudolf Koch. Im Laufe unserer Recherche fiel uns auf, wie umfangreich das Material rund um Rudolf Koch und seine Schriften ist. Seine Arbeit führte er im Umfeld vieler anderer Künstler, Handwerker und Schriftentwerfer in der Schriftgießerei Klingspor aus.

Wir hatten nun also drei wesentliche Gebiete, die erwähnenswert sind: Die Schriftgießerei Klingspor mit all ihren Künstlern, der Künstler Koch im Speziellen, und seine Schrift Kabel. So fiel unsere Entscheidung für jedes Thema ein Buch zu verfassen – KKK.

Im ersten Buch, das sich mit der Schriftgießerei Klingspor befasst, wird ein Blick auf die damalige Zeit geworfen, mit all ihren Revolutionen, Evolutionen und Bewegungen. Die vielen Künstler wie Eckmann, Behrens und Tiemann werden biographisch vorgestellt und ihre Schriften mit großen Abbildungen präsentiert.

Im zweiten Buch unserer Serie wird Rudolf Koch vorgestellt. Sein Leben, seine Karriere, seine Werke, seine Werkstatt und die ewige Suche nach seiner Bibelschrift. Rudolf Koch, der Schreiber, der Mann, der hinter der Kabel steht. Koch hat in seinem Werdegang zahlreiche Schriften erschaffen, unteranderem »deutsche Schrift«, »die Frühling« und »die Karl Klingspor Schrift«. Das Besondere an seinen Schriften ist, das er sie aus seiner eigenen Handschrift und mit der Feder entwickelt hat. Seine Schriften und Werke sind sehr ausdrucksstark und voller Leben. Den Schmerz und die Lebenserfahrungen, die er im Krieg erlebt hat, wurden in seinen Werken zum Ausdruck gebracht und auch sein starker Glaube an Gott beeinflusste seine Arbeit sehr.

Das dritte K steht im Zeichen der Grotesk. Die Schriftanalyse der »Kabel« von Rudolf Koch geht über den geschichtlichen Hintergrund der serifenlosen Schrift über die Analyse der einzelnen Zeichen und ihr Verhalten im Mengentext zu Varianten und Anwendungsbeispielen.

Bachelorarbeit: Maria Weiss
Intuitive Space – Intuition im Negativraum
Idee

Die Intention der Arbeit ist, das abstrakte Wesen der Intuition in Raum und Zeit fassbar zu machen. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie den »geistigen Erfolgs­gesetzen« der Schwingung, Rhythmus und Imagination wurde ein intuitiver Raum konzipiert und gestaltet. In Form einer multimedialen Installation »Intuitive Space« wird der Betrachter als Akteur im so genannten »Negativraum« interaktiv einbezogen. Der Negativraum bezeichnet den erlebten Stimmungsraum zwischen den Objekten und ist somit das Gegenteil vom Positivraum, den physisch Objekte im Raum einnehmen. Diese Dualität spiegelt sich im Ver­hältnis von Verstand und Intuition wider. Die Herausforderung besteht darin, den Negativraum so zu gestalten, dass die Intuition ans Licht tritt.

Umsetzung

Im Schwarzraum verschmelzen die wahrgenommene, physischen Grenzen zwischen Betrachter und Raum. Ein flaches schwarzes Becken, mit Wasser gefüllt, dient als Projektionsfläche. Auf diese Wasserfläche projiziert ein oben installierter Beamer eine typografische Animation. Die Animation zeigt Negativformen der Botschaften der Intuition wie Rhythmus, Schwingung, Wahrnehmung usw. als abstrakte verfremdete Lichtformen. Der Betrachter wird mit Text in Negativformen konfrontiert. Die Wasseroberfläche reagiert auf die im Raum erklingenden Töne der großen Schwingungskörper – Gongs, gespielt von Klangmusikerin Doris Ostertag. Diese bringen kosmische, intensive Töne hervor, die uns zwar immer im Alltag umhüllen, allerdings in einer nicht wahrnehmbarer Intensität.

Dadurch wird die Darstellung der Darstellung der typografischen Animation auf dem Wasser verzerrt und verfremdet, sodass Betrachter dazu angeregt wird, sich mit der Installation auseinander zu setzen, um zu einem kontemplativen Zustand zu gelangen und dem inneren Intuitionskanal näher zu kommen. Die äußeren Einflüsse im Raum führen zur inneren Betrachtung.

Typografie und Schrift, 2. Semester: Nicolai Bähr

Meine freie Schriftarbeit ist eine Art Hybrid, eine Verschmelzung zwischen dem asiatischen und dem römischen Formenkanon. Experimentelle Textstrukturen, präsentiert in einem Tryptichon, sollen das Prinzip der Lesbarkeit herausfordern, ja konterkarieren und letztlich in Frage stellen. Das O greift hierbei störend in die Textstruktur ein.

Inspiration dafür fand ich in der Arbeit des amerikanischen Streetartkünstlers Retna, der seine eigene Zeichenmatrix angelehnt an die oder vielmehr der asiatischen und der arabischen Schriftkunst entlehnt entwickelte.

Eine App zur Verbesserung der Lebensqualität bei seltenen Stoffwechselkrankheiten

Innerhalb des Moduls »Interfacedesign II« bei Prof. Frank Rief stand es zur Aufgabe, in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Maier und Herr Dr. Staudigl des »Dr. von Haunerschen Kinderspitals« der LMU München, eine technische Anwendung zu entwickeln, welche die Lebensqualität von Personen mit einer seltenen Stoffwechselkrankheit verbessert.

Dazu wurden in der Recherchenhase mittels Patientenumfragen die wichtigsten Kernfunktionen der Anwendung definiert und analysiert. Diese Funktionen umfassen das Erstellen eines Ernährungsprotokolls, eine automatisierte Erinnerungsfunktion an Nahrungs- und Medikamenteneinnahme und ein deutschlandweites Verzeichnis alles Stoffwechselambulanzen. Ebenso ist eine digitalisierte Form des Notfallausweises der Patienten integriert.

Anschließend wurden Name, Design und die Tonalität innerhalb der Kommunikation der App festgelegt. So wir »Teo« als Begleiter (»Teo & Du«) im Alltag etabliert, der intuitive Assistenz bietet, sich jedoch nicht aufzwingt. Ebenso übernimmt Teo keine medizinische Verantwortung, was die »eHealth« (= electronic Health) oder »mHealth« (= mobile Health) App zu einer Anwendung im privaten Bereich macht.

Derzeit befindet sich die App in der konkreten Programmierungsphase und wird voraussichtlich Ende diesen Jahres im Apple App Store und Google Play Store zum Download bereit stehen. Um die Anwendung den Nutzern näher zu bringen, wird Teo voraussichtlich auf dem nächsten »Rare Disease Day«, Anfang nächsten Jahres (2016), vertreten sein.

Konzeption und Design: Leitung: Prof. Frank Rief; Studenten: Natalie Kennepohl, Kevin Kremer, 
Miriam Rieger, Laura Ostermeier, Rita Schimanowski
Technische Umsetzung: Leitung: Markus Eggart; Studenten: Silvan Wenig, Ivan Babic, 
Sonja Schröder, Nadine Mayer, Evgenia Trishkina

Typografie 2. Semester: Schriftanalyse
Lilian Karr, Anna Maria Ott

Unsere Schriftanalyse befasst sich mit der »Helvetica«, einer der meist benutzten serifenlosen Schriften überhaupt. Ihren Siegeszug trat sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, einer Zeit, in der Endstrichlose vermehrt in Werbungen und Publikationen verwendet wurden. Dank exzellenter Vermarktungsstrategien der D. Stempel AG in Frankfurt wird sie zum Kassenschlager und ist bald international sowohl in Hand-, Foto- und Digitalsatz erhältlich. Entworfen wurde die Schrift von Max Miedinger im Auftrag Eduard Hoffmanns, für die »Haas’sche Schriftgießerei« in Münchenstein.

Die Recherche über die Entwicklung der Schrift war einerseits überschaubar, andererseits vielfältig. Einfach gestaltete sie sich im Hinblick auf den zu behandelnden  Zeitraum, der im Vergleich mit sehr alten Schriften wie zum Beispiel der Garamond kurz ist. Die Helvetica, die ursprünglich die »Neue Haas Grotesk« heißt, kommt 1957 auf den Markt. Trotzdem gibt es in der Geschichte der Helvetica inhaltlich sehr viele interessante Ereignisse, so etwa die vielfachen Überarbeitungen und Neu-Entwürfe, den Rechtsstreit um den Vertrieb des Fotosatzes und das Aufkommen unzähliger Plagiate.

Wir haben, um tiefer in die Materie einzudringen, sämtliche Bücher in der Staatsbibliothek München gewälzt, leider mit sehr wenig brauchbaren Ergebnissen. Als recht informativ haben wir hingegen das Buch »Helvetica forever« empfunden, das uns eine grosse Stütze und verlässlicher Begleiter bei unserer Arbeit war. Hochinteressant war auch der Besuch der »Basler Papiermühle«: Dies ist ein von Eduard Hoffmann gegründetes Museum, das die Geschichte des Buches und der Schrift aufzeichnet und festhält. Dort gibt es zahlreiche Ausführungen der »Neuen Haas Grotesk« in allen verschiedenen Schnitten und Größen im Bleisatz, und wir durften nahezu ungestört alles durchstöbern. Äußerst aufschlussreich war auch unsere Gespräche mit dem Grafiker Herrn Mengelt, der mit seinen Teamkollegen vom Grafikbüro  »Team77« die »Neue Haas Unica« eine Überarbeitung der »Neuen Haas Grotesk« geschaffen hat.

Bei der Aufbereitung der Geschichte haben wir uns für ein modernes Layout entschieden, ein nahezu quadratisches Format mit soft cover gewählt und hauptsächlich mit der Farbe Blau gearbeitet. Wir beschreiben sowohl die Entwicklung von der »Neuen Haas Grotesk« zur »Helvetica«, als auch die Geschichte der Serifenlosen Schriften an sich, behandeln interessante Persönlichkeiten, vor allem auch Beispiele zu älteren und modernen Anwendungen. Auch ein Schriftvergleich mit den Inspirationen für die »Neue Haas Grotesk« und späteren Kopien und Überarbeitungen ist enthalten. Nach wochenlangen Analysen, Recherchen, Entwürfen und Korrekturen bleibt die Helvetica für uns immer noch eine wunderbare Schrift, die wir — trotzdem wir sie nun kritischer betrachten als zuvor — immer noch sehr häufig anwenden.

Stehsatz als Magazin

Endlich ist es soweit! Zusätzlich zum Stehsatzblog erscheint nun neu und erstmalig Stehsatz auch als Magazin.

Das Stehsatzmagazin versteht sich als Magazin für junges Grafikdesign und so gilt es in dieser über 90-seitigen Ausgabe viel Neues an Inspiration und Interessantes aus dem vielseitigen Feld der Gestaltung, Kunst und Kultur zu entdecken.

So hatten wir in der Rubrik »Über den Tellerrand« die Chance mit so inspirierenden Gestaltern wie Fanette Mellier oder Sandra Opiela zu sprechen und werfen einen Blick in die wahre Schatztruhe für Bleisatzbegeisterte – die Handsatzwerkstatt Fliegenkopf, wo der Bleisatz immer noch und wieder seine überraschend lebendige Seite zeigt.

Außerdem berichten Studenten von ihren Erfahrungen aus dem Praktikum in Israel und der Zeit nach dem Studium im In- und Ausland. Das Ganze wird vervollständigt durch den »Showroom«, in dem als eine Art best-of-Stehsatz eine Auswahl an Arbeiten aus den verschiedenen Semestern Gelegenheit für neue Ideen und Anregungen schaffen soll.

Das Magazin soll nun einmal im Semester erscheinen. Viel Spaß damit!

Fotos: Philipp Elsner

Bleisatz II – Abecedarium-Leporello

Bodoni-Antiqua in 16 p Schriftgröße mit einem Zeilendurchschuss von 6 p bilden die typografische Grundlage des seit einiger Zeit in der Buchdruckwerkstatt der MD.H München entstehenden Leporellos: »Arabesken um das ABC« von Anton Schnack.

Das Leporello zeichnet sich durch klassischen Handsatz, ebenso wie durch handgezeichnete, neuentwickelte, aber auch nachempfundene Initialen – etwa von der Bremer Presse oder Peter Behrens – aus. Schriftsetzermeister Klaus Hanitzsch betreut das umfangreiche Projekt im Handsatz. Schriftlithograph Peter Gericke (Bleisatz III – Initialen) zeichnet für die kunstvollen Initialen verantwortlich.

Als aufgeweckt, geduldig, immer frohgemut, kommunikativ, gesellig, herzlich, zuvorkommend und stets hilfsbereit wird der Kursleiter Klaus Hanitzsch hierbei von den teilnehmenden Studierenden beschrieben. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass er seit Projektbeginn einige Unwägbarkeiten spielend beseitigt hat. Anders als die Fertigung eines einzelnen Plakates oder simpler Akzidenzen stellt die Realisation eines Buchleporellos mit 64 Seiten in einer Auflage von 50 Stück komplizierte Anforderungen an das im Semesterturnus wechselnde (und freiwillige) Workshopteam: Stände sind exakt zu beachten, die Satzbreite mit 27 cic einzuhalten, die ersten drei Zeilen müssen eingezogen, die Laufweite des Papiers beachtet werden und vieles mehr.

Dabei will Herr Hanitzsch den Studenten in erster Linie »Kenntnisse über die alte Handwerkstechnik des Bleisatzes und des Buchdrucks, d.h. Handgriffe für den Umgang mit der gegossenen Letter und der Verwendung von Farbe und Papier vermitteln. Diese «ziel[t]en darauf ab und seien zugleich Anreiz, am Ende etwas Schönes in den Händen zu halten (haptisch) und es anschauen und präsentieren zu können (optisch) – also etwas, was die Studenten mit eigenen Händen in der Werkstatt selbst gesetzt und gedruckt haben, mit dem Sie sich auch identifizieren können.«

Im Kurs Bleisatz II setzt jeder Teilnehmende eine Seite, sowie ein individuell gestaltetes Lesezeichen, sodaß jeder Student und jede Studentin nach dem recht strengen Buchsatz hier auch die Möglichkeit hat, dem eigenen kreativen Schöpferdrang nachzugeben.

Wenn auch bis zur Fertigstellung des Abecedarium noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, bleibt nur festzustellen, dass Herr Hanitzsch sein engagiertes Vorhaben mit den vorliegenden Seiten, sowie den parallel dazu entstehenden Lesezeichen, mehr als erreicht hat.

Fotos: Anni Ott, Lars Reiners, Sybille Schmitz

Die Vollendung der Klassizistischen Schrift
Typografie 2. Semester: Cornelia Engel, Katharina Krepil, Anna Schemmel

Die Didot, die »Vollendung der Klassizistischen Schrift« ist der Titel unserer Schriftanalyse im Fach Typografie. Darin verdeutlichen wir das Zusammenspiel innerhalb der Dynastie Didot, portraitieren den Werdegang wichtiger Familienmitglieder, ihren Beitrag zur Schrift Didot und ihren immensen Einfluss auf die klassizistische Schrift selbst. Spricht man nämlich von der Schrift Didot, spricht man dabei nicht von einem einzelnen Typografen, sondern von einer Pariser Druckerfamilie, die auf die Entwicklung der klassizistischen Antiqua großen Einfluss nahm. Einige Familienmitglieder vereinten ihre Schaffenskraft zu einem gemeinsamen, epochalem Werk. So entstand neben der Schrift die Vereinheitlichung des typografischen Punktesystems, und darüber hinaus auch Erfindungen die zur Arbeitserleichterung in den Druckereien führte.

Wir gewähren einen sorgfältigen Einblick in die Entwicklungsgeschichte von Anbeginn bis zur Digitalisierung, der bewusst macht wie umfangreich und zeitaufwendig die Vollendung dieser eleganten Schriftart, die durch ihren Fett-Fein-Kontrast besticht, war und wie sie sich im historischem Kontext entwickelt hat. So führt die Reise in diesem Kapitel über die Lettern der »Romain du roi« von Philippe Grandjean über die Buchstaben von John Baskerville bis hin zu der Vollendung der klassizistischen Schrift, eben der Didot.

Auch wird in diesem Kapitel die besondere Herausforderung in der Digitalisierung, welcher sich der Typograf Adrian Frutiger annahm, beschrieben. Durch verschiedene Beispiele aus dem Bleisatz werden in unserem Buch die Abweichungen zum Originalschnitt der Didot dargelegt und klar aufgeführt.

In der Analyse der Didot, dem Herzstück des Buches, werden die Anomalien der Schrift verdeutlicht. Erst hier wird klar wie minimal die Unterschiede der einzelnen Buchstaben untereinander sind. Mit bloßem Auge sind diese nicht unmittelbar erkennbar, sondern werden erst bei starker Vergrößerung sichtbar. Der Vergleich der Didot mit der Bauer Bodoni verdeutlicht nochmals, wie einzigartig, präzise, elegant und kontrastreich diese Schriftart ist. Die Besonderheit an unserem Buch ist, dass wir bei unserer Recherche und Analyse auf einen Originaldruck von 1801 aus dem Haus Pierre Didot zurückgreifen konnten. Es handelt sich dabei um »Voltaire«, mit der vollendeten Schrift von Firmin Didot. In unserem Buch ist dieses fotografisch abgebildet und zu bewundern.

Fotos: Sybille Schmitz

»Start spreading the news
I am leaving today
I want to be a part of it
New York, New York«

Diese Song-Zeilen von Frank Sinatras Klassiker »New York, New York« waren vermutlich auch Teil meiner Motivation, mich während des Praxissemesters für ein Praktikum in der Stadt, die niemals schläft, zu entscheiden. Glücklicherweise ermöglichte mir das Design-Studio »Everything Type Company« in Brooklyn diesen Wunsch und so ging es Ende Januar 2015 nach New York und auf in ein dreimonatiges Wagnis im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Als durchaus urbanophiler Mensch fiel mir der Start in der neuen Stadt nicht schwer – der tägliche, rund einstündige U-Bahn-Marathon von Manhattan nach Brooklyn zu meiner Arbeitsstelle empfand ich als guten Ersatz für den morgendlichen Kaffee. Hellwach und leicht außer Puste erreichte ich dann das Studio – klischeehafterweise in einem ehemaligen Industriegebiet direkt am East-River gelegen, das mit Streetart und urbaner Coolness durchaus Eindruck schindet.

An der minimalistischen Stahltür noch kurz die Nervosität abgeschüttelt und schon ging es dem ersten Arbeitstag in der Millionenstadt entgegen. Das Team, bestehend aus Geoff Halber, Kyle Blue und Houman Momtazian bereitete mir ein warmes Willkommen in dem sehr stilvoll eingerichteten Studio-Apartment – so kann das Praktikum starten.

Die nächsten Wochen bestanden hauptsächlich aus Arbeit und dem täglichen Pendeln durch den eisigen New Yorker Winter, der nicht selten mit Temperaturen um -20 Grad Celsius daherkommt. Selbstredend blieb auch genug Zeit um diverse Stadtviertel ausgiebig zu erkunden und während der Fashion Week reichlich »People-Watching« zu betreiben und sich ganz am Flair der Stadt zu ergötzen.

Um meine Ortskenntnis noch zu intensivieren wurde ich passender Weise in der Arbeit damit beauftragt, eine detaillierte Karte von Downtown Manhattan zu erstellen. Zwei Wochen später kannte ich diesen Stadtteil gefühlt wie meine Westentasche – Oh, lag ich da falsch. Der Zusatz »Stadt, die niemals schläft« erhielt New York eventuell daher, dass die Bewohner nicht schlafen, weil sie Ihr Zuhause nicht mehr finden – das ewige Labyrinth aus Straßen und Gässchen, Querstraßen und Ecken, Kreuzungen und Expresslanes scheint in Downtown Manhattan schier kein Ende mehr zu nehmen. Bin ich froh, dass ich am Ende des Tages doch noch Schlaf gefunden habe.

Sobald der Winter sich dem Ende zuneigt, wird der Stadt neues Leben eingehaucht. Vor allem auf der »Highline«, einem höhergelegenen Park in den Straßen Chelseas, erstrahlt die Stadt in der ersten Frühlingssonne in lebhaftem Glanz und jeder, der sich zuvor noch in seinem Apartment verkroch, scheint jetzt die Sonne und den nahenden Frühling genießen zu wollen.

Noch mehr Lebensfreude entgegnet einem jedoch bei einem Spiel der Brooklyn Nets im Barclays Center. Nicht nur einmal wurde ich hier Teil der schieren Sportbegeisterung und Energie – sobald ein Korb geworfen ist springt die gesamte Besatzung des raumschiffartigen Stadions auf, bejubelt und feiert den erhofften Sieg der Herzensmannschaft Brooklyns. Ein – so fühlt es sich zumindest an – uramerikanisches Volkserlebnis mit Folklore-Charakter und jede Menge Spaß daran, dabei zu sein.

Diese, neben vielen anderen prägenden Eindrücken, haben das Wagnis zum Erlebnis gemacht und mir alle Vorstellungen von einem Praktikum in New York erfüllt. New York ist anscheinend nicht nur ein Ort an dem viele Wünsche existieren, sondern auch in Erfüllung gehen.

»Eve just wanted to know shit.« – Neugier und Lust auf Neues – gesehen in der New Yorker U-Bahn und passend als Headline zu meiner Zeit in den USA und als Titel für meinen Praktikumsbericht.