Stehsatz

Das Buch der Bücher im 21. Jahrhundert – Ein Experiment zur Gestalt der Bibel

Ziel der Arbeit war es, eine Gestaltenversion der Bibel zu entwickeln, welche den Menschen durch eine neue optische und semantische Darbietungsweise einen neuen Zugang zu diesem wohl bedeutendsten Werk der Menschheitsgeschichte eröffnet.

Deuteronomium 4,44–11,32

Ausgewählt wurde aufgrund seiner zeit- und gesellschaftsunabhängigen Bedeutsamkeit der Sinnabschnitt der Überlieferung der Zehn Gebote: Deuteronomium 4,44–11,32. Unabhängig davon, ob ein Mensch gläubig ist, oder nicht, lässt sich eines nicht von der Hand weisen: Die Zehn Gebote repräsentieren einen Sittenkodex, welcher als Grundlage für friedliches Zusammenleben aufgefasst werden kann. Auch in der modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sind die im Dekalog verwurzelten Verhaltensprinzipien noch gültig. Diese Feststellung ist für das Erreichen des Ziels, den Menschen einen neuen Zugang zur Bibel zu ermöglichen, essentiell.

Hektik und Schnelllebigkeit prägen die Lesekultur

Im digitalen Informationszeitalter ist die Lesekultur zunehmend von Hektik und Schnelllebigkeit geprägt. Im Zentrum steht daher die Idee, den Leser mit Hilfe einer systematischen Textkodierung zur Entschleunigung zu zwingen. Die Verschlüsselung erfordert beim Leser die Bereitschaft, sich vollkommen auf den Text einzulassen und sich konzentriert und in Ruhe mit ihm zu befassen, um so einen neuen, individuellen Zugang zu ihm zu erlangen.

Kodierung, Dekodierung und Begreifen

Die mühsame Entschlüsselung steht symbolisch für das Begreifen der Bibel in ihrer Gesamtheit. Strebt man ein solches Verständnis der Bibel an, welches bislang sicherlich nur äußerst wenige Menschen tatsächlich erreicht haben, darf man keine Mühe scheuen.

Die Frage nach der Art des Verschlüsselungssystems wurde mithilfe einer typografischen Herangehensweise beantwortet. In Anbetracht der Fülle an möglichen Verschlüsselungssystemen wurde die Bezugnahme auf die sumerische Keilschrift der alten Babylonier und Assyrer zur Grundlage für die Wahl eines Systems, welches die Schrift an sich ins Zentrum ihrer Logik rückt.

Durch die systematische Weiterentwicklung der Abstraktion bis zur völligen Auflösung bekannter typografischer Formen wurde eine französische Renaissance-Antiqua, angelehnt an die Hollander, entworfen von Gerard Unger, aller Stämme, Bögen, Schultern, Hälse, Schlingen, Stege, Balken, Schleifen, Grund- und Haarstriche beraubt, bis letztlich lediglich ihre Serifen und einige andere, zur Unterscheidung der Buchstaben notwendige, charakteristische Einzelteile übrig blieben. Von der Verschlüsselung ausgenommen blieben die Satzzeichen. Die daraus resultierende Typo-Matrix erweckt auf den ersten Blick den Anschein fremdartiger Blindenschriften oder erinnert gar an Schriftsysteme anderer Kulturräume. Erst bei näherer Betrachtung wird klar, dass es sich um die Überreste einer westlichen Schrift handelt.

Fotoprojekt
Franziska Sessler, Diana Kolbeck

Memento Mori ist ein dem mittelalterlichen Mönchslatein entstammender Ausdruck, der übersetzt »Gedenke, dass du sterben musst« bedeutet. Er ist nicht nur tief im Christlichen Glauben verwurzelt, sondern spannt sich über das Existenzverständnis aller Religionen dieser Erde.

Anfang und Ende sind zwei sich gegenseitig bedingende Ausprägungen des Lebens. So kann man in jedem Lebewesen ein auf ein Ende zustrebendes Individuum sehen. Sobald ein Leben anfängt, ist sein Ende bereits besiegelt.

Die fotografische Umsetzung erfolgt durch die Wahl passender Motive und Stimmungen, die das Thema in sich tragen. Erzählende Bilder beruhen hierbei auf Nahaufnahmen und sollen den Betrachter direkt mit dem zugrundeliegenden Credo konfrontieren. Formale, inkonkrete Bilder stützen sich auf assoziative Bildausschnitte oder Bewegungsaufnahmen und fangen zum Thema passende Stimmungen ein. Diese ergeben sich beispielsweise durch dunkle, harte Formen sowie hohen Kontrast.

Um die Vergänglichkeit der Dinge in denVordergrund zu rücken, wird bei allen Fotos die Sättigung stark reduziert. Dies schafft gleichzeitig eine einheitliche grafische Sprache.