Stehsatz

Visueller Journalismus – Ein Crossmediamagazin über Tischkultur und Zeitgeist

Unter dem Arbeitstitel »Visueller Journalismus – Ein Crossmediamagazin über
Tischkultur und Zeitgeist«, ist »Papaya – Ein Essensheft« entstanden. Ziel ist
nicht die bloße Berichterstattung oder das Zeigen von Rezept und schönem Bild, sondern vielmehr die Vermittlung von Hintergrundinformationen, das Aufzeigen von ­Per­spektiven und auch die Kommentierung in Verbindung mit einer interessanten und ansprechenden Gestaltung. Das Magazin soll den Visuellen Journalismus in seiner Gesamtheit erschließen. Was heißen soll, dass es als ­Crossmediamagazin in einem ausge­wogenen Verhältnis Qualitätsjournalismus im herkömmlichen Sinn und Onlinejournalismus miteinander vereint.

»Papaya« gibt es auf der Werkschau am 17.3.2016 in München zu sehen.

Futura – 28 Grad in Dresden
Jenny Lutz, Hanna Rasper, Sophie Schillo, Julian Schöll, Natalie Kennepohl

Dreieinhalb Stunden Fahrt, zwei Semmeln und einen Milchkaffee später, standen wir Punkt zehn vor der Tür der Dresdner Offizin, bereit um Paul Renners Schriftentwürfe zur Futura durch die Andruckpressen Haag-Drugulins zu ziehen.

Die Schriftentwurfsplatten, die wir abdrucken durften, sind matrizenähnliche Metallplatten, die Paul Renners erste Entwürfe der konstruierten serifenlosen Linear-Antiqua Futura zeigen. Im Vergleich zu der Zeit üblichen serifenlosen Antiquas sind die Strichstärken sehr gleichmäßig und die Buchstabenformen ausgesprochen geometrisch, was man an den nahezu kreisförmigen Rundungen erkennen kann. Besonders interessant sind einige Entwürfe der Buchstaben a, g, n, m und r, die auch heute noch eher ungewöhnlich wirken. Genaue Beispiele der ausgefallenen Entwürfe sind das Minuskel n, das unter anderem aus einem Quadrat, ohne Unterseite besteht, oder das Minuskel g, das aus einem Kreis und einem Dreieck als Unterlänge besteht. Spannend ist, dass die Platten auch zahlreiche verworfene Entwürfe von Buchstaben zeigen.

Nach stundenlangem, nahezu schweißtreibendem Drucken gings abends auf einen kühlenen Absacker in die Dresdener Innenstadt. Eindruck: Begeisterung pur! Imposante barocke und eindrucksvolle mediterrane Architektur sowie die unglaublich schöne Lage im Elbtal und die sommerlichen 28 Grad des Julis, macht dem Namen Elbflorenz alle Ehre.

Abschließend bedanken wir uns beim Leiter der Dresdener Haag-Drugulin, Eckehart SchumacherGebler, der uns zu sich eingeladen hat und uns die Möglichkeit bot die Schriftentwurfsplatten Paul Renners abzudrucken. Besonders möchten wir Ria Mücke herzlichst für ihre Unterstützung und ihr vielen Tipps danken.

Fotos: Julian Schöll

 

Natalie Kennepohl, Kevin Kremer, Miriam Rieger, Laura Ostermeier
Bewegte Wörter einer bewegten Zeit

Auflehnung, Hoffnung, Gewalt, Aggression, Tabularasa und Gefangen sind Begrifflichkeiten die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg stehen. Es war eine Zeit des Umbruchs und der Spannung.

In der Kunst schockierten die Dadaisten mit Lautgedichten und Werken, die dem Zufall verschrieben waren. Mit allen Mitteln kämpften Feministinnen, wie Anita Augspurg für mehr Rechte für die Frau. Kinos und Kaufhäuser lockten die Massen, in eine neue, glitzernde und aufregende Welt. 1913 wurde die Automobilindustrie mit der Einführung der Fließbandproduktion, von Henry Ford revolutioniert.

Viele weitere Ereignisse und Erfindungen wären an dieser Stelle zu nennen, wobei sich parallel dazu die politische Situation zuspitzte und schlussendlich 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach.

Die typographische Installation soll genau diese beschriebene Zeit in ihrer – sinnbildlich gesprochen – aufgeladenen Spannung wiedergeben.

Dazu sind die unterschiedlich großen Buchstaben in rhythmischen Wortgebilden auf einer großen, schwarzen Holzplatte angeordnet. Die Buchstaben bestehen aus ausgefrästen weißen Dibond-Platten, die in ihrer Wirkung an dünnes Metall erinnern. Um den Größenunterschied, sowie die Rhythmik zu verstärken sind die Buchstaben nicht nur direkt auf die Platte montiert, sondern teilweise auch auf unterschiedlich hohen Nägeln angebracht. Das besondere dabei ist der Aspekt der Dynamik, denn einige Buchstaben werden mit Hilfe eines Elektromotors in eine rotierende Bewegung versetzt, wobei die einzelnen Geschwindigkeiten unterschiedlich sind.

Beim Betrachten dominiert wohl zuerst ein Gefühl der Neugier, oder einer heiteren Erstauntheit. Doch je länger man die Installation betrachtet, desto mehr wird man in den Bann der Bewegung und der Geräusche der Elektromotoren gezogen. Man könnte es als eine Simultanität der Gefühle bezeichnen, die vermutlich individuelle Ausprägungen haben werden. Die Intention dabei ist, einen Versuch der Annäherung an die damalige Zeit herzustellen.

 Kalligraphie 2. Semester
Natalie Kennepohl
»Dieses entbehrlich gewordene Spiegelbild werden Sie jetzt auslöschen, lieber Freund«

Das Magische Theater soll die Höchste aller Disziplinen lehren, die Fähigkeit des distanzierten Humors und somit die »eigene Welt sichtbar machen« (Hermann Hesse, Gesammelte Werke, Band 7, Seite 366). Dieses Magische Theater ist der Kommunikationsträger zwischen dem aktuellen Seelenzustand und der ruhenden, potentiellen Lebensmöglichkeiten. Es soll die Selbstfindung begleiten und zur Billigung und Akzeptanz der eigenen Teilidentitäten führen. Der Humor soll eine Lösungsperspektive aus der alltäglichen Depression und Melancholie sein. Dem neurotischen Menschen wird im Magischen Theater im wahrsten Sinne des Wortes der Spiegel vorgehalten und dadurch mit seinem Unterbewusstsein konfrontiert, um sich letztlich zu allen seinen Teilidentitäten zu bekennen.

Die beabsichtigt bildvolle und poetisierte Sprache Hermann Hesses, wirkt vor allem durch seine häufigen Wiederholungen, Doppelungen und Entgegensetzungen. Deshalb wurde eine Schrift entwickelt, die sich angenehm und harmonisch in das Gesamtbild einfügt, ohne sich dem Inhalt überzuordnen, oder den Leser beziehungsweise den Betrachter abzulenken. Die spiegelverkehrte Schrift greift das viel erwähnte Element des Spiegels auf und schafft somit eine Brücke zum Inhalt.

 

Interpretationsansatz zu Stanley Kubricks A Clockwork Orange
Elena Georg, Hanna Rasper, Natalie Kennepohl, Laura Ostermeier

»Das hier bin ich: Alex und meine drei Droogs: Pete, Georgie und Dim. Wir hockten in der Korova Milchbar und wir überlegten uns, was wir mit diesem Tag anfangen sollten. In der Korova Milchbar konnte man Milch Plus kriegen. Milch mit Velocet. Das heizt einen an und ist genau das richtige, wenn man Bock auf ein paar Ultrabrutale hat.«

Zentral ist die Rolle des Individuums und dessen Persönlichkeitsentfaltung innerhalb der Gesellschaft, zwischen Regierung und Wissenschaft, zwischen Moral und Trieben. Die Hauptfigur Alex handelt nach seinen Trieben und Gelüsten, die hauptsächlich von Gewalt und Sex gelenkt sind. Dabei gerät er aber mit der Regierung, dem Machthunger und dessen Gesetzen in Konflikt und muss sich diesen fügen. Die Wissenschaft bemächtigt sich der Gewalt über ein einzelnes Individuum und unterzieht ihn zur eigenen Machtgewinnung einer Gehirnwäsche und regelrechten Beraubung des Selbst. Da die Ästhetisierung von Gewalt, Vergewaltigung, Raub und Mord allerdings moralisch kritische Eigenschaften sind, ist »A Clockwork Orange« mehr als nur umstritten.

Steht das Wohl der Gesellschaft über der Freiheit des Individuums oder gerade anders herum? Diese und viele ähnliche Fragen, die in dem Film thematisiert werden, sind keine Fragen der 70er geblieben. Wir stellen sie uns auch und finden keine eindeutige Antwort darauf und gerade deswegen fasziniert und reizt uns dieses Thema. In unserer westlichen Gesellschaft, in der wir nahezu alle Möglichkeiten haben, ist das Problem unserer Zeit, dass gerade viele junge Leute keinen Weg finden und große Unsicherheit herrscht. Besonders in unserem Berufsfeld wird uns immer wieder gesagt, individuell zu sein, innovativ zu arbeiten und dabei gesellschaftsverträglich zu bleiben. Aber wie individuell darf man sein, ohne moralische Grenzen zu übertreten? Oft wird behauptet, es gäbe keine Tabus mehr zu brechen. Doch scheiden sich gerade an Werken wie »A Clockwork Orange« die Geister um dessen Tauglichkeit als Meisterwerk oder Schundfilm.

In unserer Fotostrecke wollen wir hauptsächlich bekannte Schlüsselszenen interpretieren und den Charakter des Films verdeutlichen. Hierbei soll die Spannung zwischen Faszination und Abstoßung, wie in unserem Vorbild, spürbar sein. Es wird im Folgenden zur Erklärung die Geschichte über den Film aus unserer Sicht erzählt.

 dezent – dekadent
»wenn das Leise laut wird und das Laute still«

»wenn der Laute bei dem Stummen verweilt und begreift, was der Stumme ihm sagen will, wenn das Leise laut wird und das Laute still« (R. Krenzer) Laut und Leise, ein antithetisches Pärchen, das auditive Attribute beschreibt. Diese phonetischen Eigenschaften werden durch das Synonyme-Paar dezent und dekadent visualisiert.

Leise, dezent beschreibt die vornehme Zurückhaltung und die taktvolle Feinfühligkeit. Genau die Eigenschaften, die das gesandstrahlte Glas ausstrahlt. Dazu eine Schrift, die durch ihre Schlichtheit besticht und sich diskret in die gesandstrahlte Fläche einordnet.

Laut, dekadent beschreibt den gellenden Lärm und die schrille Aufdringlichkeit. Eigenschaften eines Spiegels. Die gesandstrahlten Schriftzüge des Wortes dekadent in verschiedenen Größen und Schnitten auf dem Spiegel wirken im Gesamtbild auffällig, überladen und maßlos.

Von und über Mozarts göttliche Musik
Von Irdischem und Universalem
Natalie Kennepohl

Der musikalische Höhepunkt des Divertimentos in F, KV 247 (bei 1:48 – 2:06) soll als 3D-Modell dargestellt werden, welcher die beiden vorangegangenen Teile vereint, die meiner Meinung nach das Irdische und das Universale darstellen.

Der Globus mit seiner ikonografischen Bedeutung als Zeichen des Sieges passt zu der Assoziation eines Siegeszuges, die beim ersten Hören auftaucht. Um das Irdische und das Universale zu verbinden, werden ein Erdglobus und ein Himmelglobus miteinander vereint. Erdgloben versinnbildlichen das Irdische und Vergängliche, während Himmelsgloben das Universale und Immerwährende verkörpern.

Das Weiche und Sanfte spiegelt sich in den Kugelformen wider, die Verstrebungen stellen die Komplexität, die Dynamik und die Spannung dar. Die eher harte Wirkung von Dur, Allegro und der komplexen Rhythmik werden durch das Material verkörpert: Metall, zum Teil rostig als Zeichen des Irdischen und vergoldet, als Zeichen des Universalen. Um die euphorische Stimmung des Stückes zu verdeutlichen, steht die vergoldete Kugel im Kontrast zu den rostigen Innenseiten der Eisenstreifen. Die schöne Schöpfung und ihre Siegeszüge, die aber vor dem Hintergrund der Unbill und des Leidvollen gesehen werden muss.

Zitate über Mozarts göttliche Musik finden sich auf den universalen äußeren Ringen in einer glänzenden goldenen Folie. Sie stellen einen Bezug zu Mozart dar, unterstreichen die Bedeutung seiner Musik und unterstützen das Besondere seines Wesens und seiner Werke.